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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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Fördermitglied bei Transparency International, er schätzt und bewundert das Engagement dieser internationalen Anti-Korruptions-Organisation – versteht sich von selbst.«
    Tudor Dragos nickte gönnerhaft, stand auf, er war einen Kopf kleiner als Martin, und ließ ihn zur Verabschiedung um den Schreibtisch herumkommen. »Es hat den Herrn Direktor gefreut«, sagte der Übersetzer. »Er wünscht Ihnen eine gute Reise – ich übrigens auch. Er hofft, Sie berichten ihm ausführlich von unterwegs. Ich nehme an, Sie haben ein rumänisches Mobiltelefon? In dem Fall bittet er Sie, ihm die Nummer zu geben, vielleicht gibt es ja Interessantes, was Sie wissen sollten. Wie ist die Nummer?«
    Martin schrieb sie auf die Visitenkarte und gab sie mit einer angedeuteten Verbeugung zurück, Tudor Dragos nahm sie in gleicher Weise entgegen.
    »Zum Abschluss unseres interessanten Gespräches wiederhole ich Ihnen als Kenner der hiesigen Verhältnisse noch einmal meinen guten Rat von vorhin: Suchen Sie sich Ihre Partner gut aus. Entscheiden Sie sich für die
richtigen
Leute, wenn Sie mit uns langfristig im Geschäft bleiben wollen.«
    War das als Rat oder Drohung zu verstehen?
    »Hier, vergessen Sie Ihren Wein nicht . . .«, der Übersetzer lief ihm mit der Flasche nach.

7
    Der Bulevardul Basarabia, eine Ausfallstraße, wenn man sie so nennen wollte, führte an den schäbigsten Plattenbauten vorbei, die Martin jemals gesehen hatte. Was man im ehemaligen Ostberlin gemacht hatte, kannte Martin, es waren luxuriöse Stadtwohnungen geworden im Vergleich zu dem, was sich hier zur Linken monolithisch auftürmte. Die Bauten wirkten in ihrer Mächtigkeit wie auch in ihrer Trostlosigkeit wie tot. Sie glichen Termitenhügeln, ging ihm durch den Sinn, obwohl er Vergleiche von Menschengewimmel mit dem von Insekten verabscheute. Diese Bauten schienen verlassen, aufgegeben, verfallen, wie bei Termitenhügeln war von außen kein Zeichen von Leben zu sehen. So würden die in Ostberlin auch heute noch aussehen, ohne Soli-Beitrag, den er jahrelang gezahlt hatte. Man soll alle jammernden Ossis nach Rumänien schicken, dachte er böse, damit sie sehen können, wo andere Länder stehen. Nur kannte er keine jammernden Ossis, sie waren eine Erfindung der Politiker, um an Geld, sogenannte Fördermittel aus der Staatskasse, zu kommen, wie er vermutete. Das einzig Lebendige hier war der zähe, lavagleiche Strom von Autos, der sich auf der sechsspurigen Straße um Schlaglöcher und in dritter Reihe um geparkte Wagen quälte, bis er im Stau erstarrte.
    Martin schaute zu den Fenstern hinauf. Hinter nicht einem stand eine Blume, nirgends eine grüne Pflanze an derelend langen Fassade. Blinde und zerbrochene Scheiben, Pappe in den Fenstern, zerschlissene Vorhänge im Wind, verrammelte Veranden. Dieser Anblick verschmolz mit den bisherigen Eindrücken aus Bukarest, und ihn schauderte trotz der Hitze. Es war besser, wieder auf den Stadtplan zu schauen und sich um den Weg zu kümmern. Er war erleichtert, aus der Stadt herauszukommen. Vor ihm lagen die Weinbaugebiete, die Besuche der Kellereien, er würde unter seinesgleichen sein, das würde seiner Seele guttun.
    Der schönere, vom französischen Baustil des ausgehenden 19.   Jahrhunderts geprägte Kern der Stadt lag weit hinter ihm. Er hatte die deutschen Bombenangriffe zu Kriegsende, als Rumänien hastig die Seiten gewechselt hatte, zum Teil überstanden, dann das schwere Erdbeben 1977, bis der Abrisswahn des größenwahnsinnigen Diktators dem Zentrum zugesetzt hatte. Pompöse Boulevards liefen auf den Palast des Volkes zu oder flankierten seine mehr als dreihundert Meter Seitenlänge. Dafür waren Schneisen in die Stadt geschlagen, Stadtviertel und Teile der Altstadt abgerissen und Menschenmassen zwangsweise umgesiedelt worden. Von vierzigtausend war die Rede.
    Gestern, nach dem letzten Treffen mit Sofia, hatte sie ihn dort abgesetzt. Martin hatte sich für den Rundgang durch den Palast des Größenwahns, wie er es nannte, einer Gruppe von U S-Touristen angeschlossen. Sie mussten das Gebäude, das größte nach dem Pentagon, wie er von ihnen erfuhr, durch einen Seiteneingang betreten, während die Präsidenten winkend über die Freitreppe durchs Hauptportal schreiten durften.
    Der Irrsinn dieses Gebäudes und derer, die es ersonnen hatten, ließ sich für Martin eigentlich nur von außen erkennen. Da hatte es auf ihn wie die Hochzeitstorte eines durchgeknallten Hollywoodstars aus ärmlichen Verhältnissen gewirkt.

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