Grote, P
Befehlshaber half ihm auf. Er war der älteste und anscheinend auch intelligenteste von ihnen, er entschuldigte sich, während seine Männer die fassungslosen Hotelgäste in die Zimmer zurückscheuchten.
»Ich bedauere diesen Vorfall. Meine Mitarbeiter haben mich falsch verstanden. Sie dachten, Sie wollten fliehen.«
Das Englisch des knapp Fünfzigjährigen war so hart wie sein Blick. Es war erstaunlich, dass Augen den Eindruck hervorrufen konnten, sie bestünden aus dunkelgrauem Granit.»Was wollen Sie von mir?«, schnauzte Martin den Mann an. »Was sind das für Umgangsformen? Weshalb sollte ich fliehen, und wer sind Sie überhaupt? Was haben Sie in meinem Zimmer zu suchen?«
Noch bevor er eine Antwort bekam, bat er den Hotelangestellten, der zwischen Protest und Gehorsam schwankte, Simion zu holen, der einen Stock tiefer in Zimmer 218 logierte. Der Hotelangestellte war als Zeuge ungeeignet, er ließ sich einschüchtern, er hatte nicht die Augen des Befehlshabers. Rumänen waren es anscheinend noch nicht gewohnt, auf ihr Recht zu pochen. Und wenn er es täte, würde ihn die Hoteldirektion rauswerfen. Martin brauchte jemanden, der keine Angst hatte, den nicht ein Leben voller Unterdrückung gedemütigt hatte. Himmel, wo war er hineingeraten?
»Wir haben einen Hinweis bekommen, dass sich Dokumente des Agrarministeriums in Ihrem Besitz befinden . . .«
»Mitten in der Nacht?«, unterbrach ihn Martin. »Bei mir suchen Sie vergebens. Warum fragen Sie mich nicht? Ich bin gestern erst bestohlen worden. Sind Sie von der Polizei oder von der Securitate?« Er sagte es so verächtlich, dass der Hotelangestellte sofort den Kopf einzog und Simion holen ging.
»Machen Sie schnell«, rief Martin ihm nach, »bevor sie mich wieder niederschlagen oder sonst was.«
»Niemand schlägt Sie nieder. Wir sind für die Sicherheit des Ministeriums zuständig. Die Securitate wurde bereits vor zwanzig Jahren aufgelöst. Das sollten Sie eigentlich wissen! Wären Sie kein Ausländer, würde ich Ihre Bemerkung als Unverschämtheit auffassen. Niemand will Sie abführen. Wir wollen uns vergewissern, dass sich keine vertraulichen oder geheimen Dokumente in Ihrem Besitz befinden, die Ihre Sicherheit gefährden könnten. Wenn Sie uns die Arbeit schwer machen, wird Ihre Aufgabe in unserem Land nicht leichter. Wir haben keine Ausländer nötig, die uns sagen,was wir tun oder lassen sollen. Das wissen wir selbst. Haben Sie mich verstanden?«
»Es war laut genug. Ich möchte Ihren Namen, den Ihrer Dienststelle und den Ihres Vorgesetzten!«
»Sie? Was wollen Sie? Ich glaube, Sie verkennen die Situation. Wer etwas verlangt, sind wir! Jetzt gehen Sie, gehen Sie in Ihr Hotelzimmer . . .«
Mitten im Satz schnauzte er seine Untergebenen an, worauf die beiden Männer die neugierigsten Hotelgäste, die sich nichts entgehen lassen wollten, erneut vertrieben. Als Simion im seidenen Morgenrock mit Halstuch erschien, ganz Grandseigneur, mit einem Gesicht und in einer Haltung, als käme der Chef des Hotels und gleichzeitig Leiter dieser obskuren Sicherheitsbrigade, stutzten die Männer einen Moment, dann schoben sie Martin vor sich her ins Zimmer. Es sah bedeutend schlimmer aus als nach dem gestrigen Einbruch.
Wenn man nach Dokumenten gesucht hatte, wozu hatte man dann den Inhalt seines Reisenecessaires auf dem Bett verstreut? Wozu waren die Schubladen aus dem Schreibtisch gezogen und vor dem Fenster aufgereiht worden? Weshalb war der Inhalt des Kleiderschranks gewendet worden, als hätten sie in den Nähten des Sakkos nach eingenähten Mikrochips gesucht? Die Unterlagen und Dokumente über Weinbau sowie die Prospekte der Weingüter hingegen lagen fein säuberlich zu zwei Stapeln aufgeschichtet. Auf dem linken lag als Erstes die Bodenanalyse der diversen Weinbaugebiete, mit dem Emblem der Regierung vorne drauf. Auf dem rechten Stapel mit den Prospekten lag sein Reiseplan.
»Was machen Sie hier, Herr ... Bongers?«
»Ich stehe rum und frage mich, was diese Unordnung zu bedeuten hat und was Sie von mir wollen.« Martin wusste, dass es unangenehm für ihn werden konnte, frech zu werden, aber ihm war nicht danach, vor diesen Figuren zu kuschen. Sie fielen bei ihm ein wie die Heuschrecken undmachten, was sie wollten. Teubner hatte berichtet, wie es bei der NAT O-Tagung zugegangen war. Wer möglicherweise protestieren würde, war weggesperrt worden. Jugendliche, beim Besprühen von Transparenten erwischt, waren krankenhausreif geschlagen worden, und die
Weitere Kostenlose Bücher