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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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die Moldawier, die Mentalität war anders. Diese Leute fehlen uns heute.«
    »Wenn die anderen gewusst hätten, wo sie hätten hingehen können, wären sie auch gegangen, alle wären gegangen, und der Letzte hätte das Licht ausgemacht.«
    »Das wäre von allein ausgegangen«, meinte Lucien. »So absurd es klingt, obwohl keiner hier wirklich Interesse an Europa hat, vor allem sich Westeuropa nicht zugehörig fühlt, ja sich sogar überlegen wähnt und die dortigen Länder als lächerlich empfindet, ist Europa, sind die Regeln und Gesetze der EU, für uns die einzige Rettung.«
    »Wovor?«, fragte Martin verwundert.
    »Vor uns selbst«, antwortete Lucien an Teubners Stelle.
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Wir verstehen es ja kaum selbst. Was von unserer Regierung zu erwarten ist, erleben Sie ja selbst.«
    »Und was erwarten Sie von den westlichen Konzernen?«
    Teubner sah Lucien an, für derartige Fragen war er der Experte. »Sie wollen, dass wir ihnen unser Land und unsere Wirtschaft schenken und umsonst für sie arbeiten. Globalisierung nennen sie das. Wir werden auf das Niveau chinesischer Wanderarbeiter gedrückt werden. Demnächst auch von den Deutschen.«
    »Die russischen Konzerne sind auch nicht besser«, wandte Teubner ein.
    »Davon habe ich keine Ahnung«, sagte Martin und hoffte, dass ihm jemand dazu was sagen würde oder dieses idiotische Thema beendete.
    »Aber wir«, meinte Lucien und sah den Dolmetscher vielsagend an, der ihm zunickte und sich an Martin wandte.
    »Und – wie geht’s weiter? Arbeiten wir nun zusammen?«
    »Kennen Sie ein Weingut namens Zodiac?«
    Teubner lehnte sich zurück und dachte nach. »Zodiac? Habe ich, glaube ich, mal gehört. Ist lange her. Ich werde meinen Großvater fragen.«
    »Tun Sie’s bitte, es ist wichtig für mich«, sagte Martin. »Und es wäre schön, wenn es bald sein könnte. Wir treffen uns morgen früh, um neun Uhr. Kommen Sie zum Hotel? Oder soll ich Sie irgendwo abholen?«
    »Nein, ich komme zu Ihnen, Sie kriegen ja sowieso früher oder später beim Fahren Ihren Herzanfall.«
    Martin verstand die Bemerkung nicht. »Wir fahren morgen nach Odobeşti. Dort möchte ich eine Kooperative besuchen, angeblich die einzige im Land, die wieder funktioniert, mithilfe des Instituts für Internationale Kooperation. Ihre Spesen übernehme ich. Und wie hoch ist Ihr Tagessatz?«
    Teubner nannte ihn, er war akzeptabel und man wurde sich einig. Die Situation entspannte sich, sogar Lucien taute auf.
    »Wir haben alle unsere kleine eigene Geschichte mit dem Diktator. Josef hat auch eine. Wie er darum herumkam, den Diktator zu küssen. Er erzählt sie gern.«
    Der Dolmetscher ließ sich nicht lange überreden. »Alle Diktatoren zeigen sich gern mit Kindern, ich weiß nicht weshalb, vielleicht soll es Vertrauen schaffen, vielleicht versprechen sich die einfachen Leute was davon, bei denen wirkt das. Hitler hat es gemacht, Stalin, Roosevelt   – Adenauer und auch Ceauşescu. Mit einigen aus meiner Klasse war ich dazu ausersehen, dem Diktator Blumen zu überreichen, und wir sollten ihn küssen. Aber er hatte immer Angst vor Infektionen, deshalb kamen die auserwählten Kinder, also auch wir, eine Woche vorher ins Krankenhaus, zur Untersuchung und sozusagen in Quarantäne. Ich hatte am Tag vor der Einweisung Brombeeren gesammelt und hatte mir die Beine an den Ranken aufgerissen. Das sah schlimmer aus, als es war, aber die Ratscher waren nicht verheilt, nur deshalb hat man mich ausgemustert – aber alle anderen haben ihn geküsst . . .«

13
    Mitternacht war längst vorüber, als Martin aus dem Fahrstuhl stieg und den Weg zu seinem Zimmer einschlug. Als er begriff, was dort vor sich ging, war es zu spät. Der Mann, der vor seiner offenen Zimmertür stand, rief etwas nach drinnen, rannte auf ihn zu und packte ihn am Arm.
    Martin riss sich los und schrie laut um Hilfe, worauf der Mann zu einem Schlag ausholte, aber Martin wich aus und schlug zurück. Der Angreifer taumelte, dann war ein zweiter Mann bei Martin und warf ihn zu Boden. Zu zweit stürzten sie sich auf ihn und drehten ihm die Arme auf den Rücken. Nein, das waren keine Diebe, hinter dem Überfall steckte was anderes, das war der einzig klare Gedanke in Martins Kopf, während er versuchte, die beiden abzuschütteln. Glücklicherweise betraten in diesem Moment Gäste den Flur, ein Hotelangestellter versuchte, Martin von den Angreifern zu befreien, bis sich eine herrische Stimme einmischte. Sie ließen von ihm ab. Der

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