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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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sie sonst für ziemlich blind hielt, war niemand gewesen, der das in irgendeiner Weise gutgeheißen hatte, was Simion hier verteidigte.
    »Ich war im Sanitätsstab, ich habe im Feldlager operiert, bis zu den Knöcheln im Blut, unter feindlichem Feuer unseren Jungs das Leben gerettet, und nicht nur ihnen, auch den Vietnamesen, die dann zum Dank später Handgranaten in unsere Zelte warfen. Nein, ich bin nicht so, wie Sie denken, mein Fronteinsatz war anders . . .«
     
    Als Martin später seinen Koffer packte und sich auf den nächsten Kellereibesuch vorbereitete, versuchte er, die Ereignisse der letzten Nacht noch einmal genau Revue passieren zu lassen. Die Männer, mit denen Teubner zu tun gehabthatte, waren zu weit entfernt gewesen, als dass er ihre Gesichter hätte erkennen können. Er konnte nicht sagen, ob einer darunter war, mit dem er bereits unerfreuliche Bekanntschaft nach dem Diebstahl und bei der Zimmerdurchsuchung gemacht hatte. Wieso glaubte Teubner, das Unglück reiste mit ihm? Der Satz machte ihm Sorge. Er sah sich um und suchte in seinem Gepäck nach den unbenutzten SI M-Karten . Hätte die Polizei sie gefunden, wäre die Befragung sicher peinlicher verlaufen. Es war die Frage, wie der Händler sie erworben hatte, da sie nicht auf irgendeinen Namen registriert waren. Es schien, als hätte er gewusst, wofür Martin sie benötigte, und der Preis war dreimal so hoch wie üblich. Dann war er nicht der Einzige, der sich einer Überwachung entzog.
     
    Den Weg zur Kellerei Vincon Vrancea fand Martin von allein beziehungsweise den Anweisungen des Portiers zufolge. Vincon Vrancea, oder VV, war einer der größten regionalen Produzenten mit internationalen Verbindungen. Chefverkäufer und Önologe sprachen Englisch beziehungsweise Französisch, so konnte Martin notfalls auf Letzteres ausweichen, falls ihm Simion auf den Geist ging oder etwas zu besprechen war, was nicht für seine Ohren bestimmt war. Beim Probieren der Weine zeigte sich jedoch, dass er den Amerikaner unterschätzt hatte. Er verstand sowohl etwas vom Anbau wie von Produktionstechniken, er kannte heimische Rebsorten wie Busuioacă de Bohotin, die nur an der Grenze zu Moldawien angebaut wurde, wie auch die Rebsorte Tămâioasa Româneascâ, die in Pietroasa und Cotnari die besten Ergebnisse zeigte.
    Hier steuerte Martin diskret auf die Frage des Personals zu, ohne sein eigenes Interesse durchschimmern zu lassen, ob und wo man Mitarbeiter finden konnte und wie sie ausgebildet waren. Bis vor wenigen Jahren hatte es in Bukarest ein Ausbildungsprogramm gegeben, wie er erfuhr, dasdie Universität von Montpellier finanziert hatte, was aber wegen undurchsichtiger Abrechnungspraxis eingestellt worden war. Es sah ganz so aus, als ob nicht ein Bereich der Gesellschaft von Korruption verschont war. Mittlerweile schlugen sich nach Ansicht des Verkaufsleiters die Weinhersteller und Kellereien um die besten Absolventen der agrarischen Fakultät.
    »Es kommen nur wenige infrage, die meisten Studenten haben zu viele Wirtschaftsmagazine gelesen, sie wollen sofort ans große Geld (das wird hier nicht viel sein, dachte Martin), möglichst wenig arbeiten, am liebsten gleich als Berater – nur in Bezug worauf hätte man die Berufsanfänger konsultieren sollen? Außerdem will niemand aufs Land und schon gar nicht in die Provinz. Sich im Weinberg die Hände schmutzig machen?«
    Das bedeutete, falls andere die Aussage bestätigen, dass man sein Personal mitbringen musste. Solche Leute in Frankreich zu finden war glücklicherweise nicht Martins Aufgabe. Es konnte nützlich sein, sich vor dem Rückflug in der entsprechenden Fakultät zu informieren.
    »Uns fehlt die unternehmerische Initiative«, fügte der Verkaufsleiter hinzu. »Sie müssen das verstehen. Wo soll der Unternehmergeist herkommen, wenn jede private Initiative unterdrückt wurde? Alles kam vom Staat, alles regelte der Staat, der Staat wusste alles . . .«
    Davon sind auch wir nicht mehr weit weg, dachte Martin, nur dass der Staat von den Konzernen abgelöst wird. Sogar das Abhören übernahmen bereits Telekom und Google. Er empfand es immer wieder erstaunlich, wie Menschen einem so gnadenlosen System zustimmen konnten. Sie rechneten sich immer noch ein Chance aus, wenn sie schon längst keine mehr hatten. Die Monopolisierung schritt fort, und das Publikum zeigte sogar Verständnis dafür. Er selbst durfte in seiner kleinen Garage nur weitermachen, weil sie so klein war, so klein, dass er niemandem in die

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