Grote, P
wesentlich älterer Partner oder Ehemann war ganz das Gegenteil. Sie trug das Haar lang und offen, ein rötlicher Schimmer lag darauf, es verdeckte das Gesicht. Sie hatte den Kopf vorgeschoben, als würde sie zum Angriff übergehen. Sie trug eine Art Tunika mit grünen, braunen und goldenen Punkten über der hautengen Jeans. Er war zu dick, klein und hatte in alberner Weise das aschblonde Haar von einer Seite des Kopfes auf die andere gekämmt, um seine Glatze zu verbergen. Die lachsfarbene Krawatte zum hellgrauen Anzug war das einzig Lebendige an ihm.
Derartig gegensätzlichen Paaren war Martin häufiger begegnet. Ein wohlhabender, älterer Mann hatte sich die junge Schöne gekauft. Er machte die Ansagen, sie genoss – bis zu einem gewissen Grad – schweigend den Luxus. Aber diese hier war widerspenstig. Irgendetwas war schiefgegangen. Die Stimmen der beiden wurden lauter, das Verhalten aggressiver, von dem, was sie sich an die Köpfe warfen, verstand Martin kein Wort. Rumänisch war es jedenfalls nicht, das meinte er mittlerweile herauszuhören.
Jetzt sprang die Frau wütend auf, herrschte den Mann mit bebender Stimme an, dann stieß sie mit dem Handrücken ihr Weinglas um – anscheinend in voller Absicht. Der Rotwein spritzte über die Teller, ergoss sich über das Tischtuch und rann auf den Mann zu, der erschrocken aufsprang, wobei sein Stuhl nach hinten kippte. Peinlich berührtsah er sich von den übrigen Gästen beobachtet und presste wütend die Lippen aufeinander, während seine Angebetete erhobenen Hauptes aus dem Saal rauschte.
»Ich liebe derartige Szenen.« Simion war begeistert. »Das ist nach meinem Geschmack. Wenn man selbst ein ganz anderes, harmonisches Leben geführt hat, kann man derartige Auftritte als Theaterstück betrachten, als gekonnt inszenierte Komödie. Man könnte Beifall klatschen. Haben Sie selbst Derartiges erlebt?«
Martin dachte an seine frühere, recht konfliktreiche Beziehung zu Petra, aber er hatte stets mit Schweigen reagiert, hatte sich nie auf Streit eingelassen. »Ich bin kein Freund von Szenen oder Auftritten, man kann Konflikte anders lösen.«
Simion war anderer Meinung. »Es kommt darauf an, worum es geht. Uns kann das, was die da eben abgezogen haben, egal sein. Doch manchmal ist ein reinigendes Gewitter sogar vonnöten.«
»Also verfügen Sie doch über die entsprechende Erfahrung?« Martin war überzeugt, dass Simion ihm nicht die Wahrheit sagte.
»Wenn man so alt ist wie ich, hat man vieles gesehen und erlebt. Man steht über den Dingen, man lässt sie geschehen, man regt sich nicht mehr auf. Es ist sinnlos. Aber die Dame sah großartig aus, blendend, eine byzantinische, ja beinahe orientalische Schönheit, auch die slawischen Frauen sollen sehr schön sein. Und sehr elegant.«
Nach dem Essen trat Martin auf den Portier zu. »Heute Morgen ist mein Dolmetscher leider abgereist, er hatte dringende Familienangelegenheiten zu regeln. Ich weiß, es ist fast unmöglich, hier in Focşani einen Ersatz für ihn zu finden, aber vielleicht kennen Sie einen Rumänen, der Englisch oder Deutsch spricht und mich zu diversen Weingütern begleiten könnte?«
Der Portier schüttelte den Kopf. »Da bin ich überfragt. Ich wüsste auch nicht, wen man fragen könnte, vielleicht fragen Sie besser auf den Weingütern?«
Sein Kollege trat näher, ein Grinsen um die Augen. »Sie haben die Dame gesehen, die vorhin aus dem Speisesaal stürmte, die Schwarzhaarige? Sie ist Dolmetscherin – bisher hat sie für diesen russischen Geschäftsmann übersetzt, mit dem sie am Tisch saß. Könnte sein, dass sie jetzt frei ist . . .«
16
Auf dem Weg nach Cotnari war Ana Cristina bereits dabei. Sie kannte sogar den Weg zum Weingut. Im Rahmen einer Rundreise mit österreichischen Investoren hatten der Besuch der Kellerei und eine Probe der berühmten Cotnari-Weine zum Unterhaltungsprogramm gehört, und Ana Cristina hatte übersetzt. Sie und Martin waren sich bereits am Abend nach dem Eklat im Speisesaal einig geworden. Da sie den bisherigen Job hingeschmissen hatte, war sie bereit, sofort für Martin zu arbeiten. Der Mann an ihrem Tisch war weder ihr Mann noch ihr Liebhaber gewesen.
»Gott bewahre«, hatte sie gestöhnt und nach dem Kreuz gegriffen, das an exponierter Stelle im Ausschnitt über ihrem üppigen Busen baumelte, und Simion waren beim Schielen fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Martin hatte ihn gebeten, sie allein zu lassen, denn es handelte sich um geschäftliche, also
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