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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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glatt, und auf einmal geht nichts mehr. Aber wenn Sie investieren wollen, müssen Sie sich beeilen. Bald ist alles verkauft, was wir hatten. Und was wir haben, ist auf Pump gekauft. Uns gehört hier fast nichts mehr. Und aus Ländern wie diesem zieht man die Investitionen zuerst ab.«
    »Wir sind das Musterbeispiel dafür, wie es bald auch bei Ihnen aussehen wird«, schob Miriam böse nach, und der Specht in ihr hackte, ihr Kopf ruckte nach vorn. »Bereiten Sie sich schon mal darauf vor. Wir sind nur wichtig als Konsumenten, auch von Wein, wir werden ausgebeutet als Wähler, wir dienen als Arbeitskräfte, als Kreditnehmer braucht man uns, wir stellen für die EU eine Datenbasis für Subventionen dar, für Umfragen sind wir nützlich, als strategische Partner für die Weltbeherrscher in Washington. Als Steuerzahler sind wir besonders geschätzt, auch als Opfer des Kommunismus . . .« Sie machte eine Pause und riss die Augen auf. »Ja, als Opfer sind wir beliebt. Aber als Menschen? Rumänien dient als Zone zur freien Entfaltung der Konzerne, allen voran der aus Österreich. Alle investieren hier, nur wir nicht. Wir verkaufen alles, verpfänden unsereWohnungen für einen neuen Golf. Straßen werden von euch gebaut, damit ihr eure Produkte in eure Supermärkte bringen könnt.«
    Miriam blickte von ihrem Freund Dan zu Martin, dann vollzog sich etwas in ihr, was mit einem leichten Kopfschütteln begann und in einem sehr klaren Blick endete.
    »Nein!«, sagte sie voll Inbrunst. »Nein, Monsieur. Eigentlich will ich das nicht. Ich werde Ihnen nicht helfen! Egal, was Lucien dazu sagt, oder du, Dan! Du kannst ihm gern helfen, ihm die Türen öffnen, oder sonst was, aber mich entschuldigt ihr dabei bitte.«
    Miriam stand auf. »Sie brauchen mich auch nicht zurückzufahren, Monsieur, fürs Taxi reicht es gerade noch. Und vielen Dank für den Nusskuchen.«
    Dan lief zu ihr und hielt sie fest. »Du bist zu emotional, Miriam. So geht es nicht. Außerdem kann Herr Bongers . . .«
    »Zu emotional!«, fauchte sie, »zu emotional? Wenn man sagt, wie es ist, dann ist man emotional, unlogisch und ideologisch. Ihr lasst uns keinen Moment in Ruhe, wir dürfen uns nicht entwickeln, wie wir wollen. Alles geht so schnell, dass man keinen klaren Gedanken fassen kann, dass niemand überlegen kann, was er eigentlich will. Meine Töchter sind schon ganz krank davon. Schneller, immer schneller, damit wir uns ja nicht besinnen. Sieh mal die Bauern, Dan«, jetzt wurde sie ruhiger. Martin war auch aufgestanden, bestürzt lehnte er an der Wand. »Die Bauern haben uns im Sozialismus gerettet, ohne sie wären wir verhungert. 1989 hatten wir täglich im Winter dreihundert Gramm Brot und ein Pfund Schweinefleisch im Monat – im Monat, verstehst du? Erinnerst du dich? Und nicht einmal das haben wir gekriegt   ... Jetzt hocken sie da im Elend, in Dreck und Nässe, und dann will man ihnen die Weinstöcke rausreißen und mit der neuen Straßenverkehrsordnung aus Brüssel noch die Pferdefuhrwerke verbieten. Das ist die Wirklichkeit, das ist die EU! Die Subventionen bekommen diejenigen,die längst genug haben, und die Korrupten. Und die Konzerne hetzen die Länder gegeneinander auf, die sich in Unterwürfigkeit überbieten. Deutsche Nokia-Arbeiter gegen rumänische Nokia-Arbeiter. Nein!«
    Dann setzte Miriam den Wortschwall auf Rumänisch fort, auch Dan wurde laut, und Martin war es nur noch peinlich. Er war weder Besucher noch Gast, er war der Katalysator. Er sah sich nach der Tür um, Dan und Miriam hatten sich so ineinander verbissen, dass er unbemerkt verschwinden konnte. Sie würden nicht einmal bemerken, wenn er verschwand.
    Doch da kam Miriam auf ihn zu, ergriff seine Hand und schüttelte sie. »
Nice to meet you,
alles Gute
, bon voyage.
« Sie verließ den Raum und knallte die Tür, dass die Wände wackelten.
    Martin war blass geworden, er sah Dan fassungslos an, der trat ans Fenster und sah hinunter auf die Straße. Miriam Vasilescus Schritte knallten in hartem Stakkato auf dem Pflaster. Es zeigte ihre Härte, ihre Entschlossenheit – und auch ihre Verzweiflung.
    Dan war als Typ wesentlich verbindlicher, zugänglich und um Ausgleich bemüht. Auch äußerlich war er weicher, runder im Gesicht, das Haar leicht und wellig, ein Lächeln auf den Lippen. Er erklärte ausführlich, was Miriam mit den thesenartig vorgetragenen Gedanken gemeint hatte. Er zeigte absolutes Verständnis für ihren Zorn und ihren unbändigen Vorwärtsdrang.
    »Die einen muss

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