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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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man antreiben, die anderen besänftigen. Ich meine nicht, sie zu beschwichtigen, Miriam hat ja recht. Aber ich sage ihr immer, dass es Zeit braucht. Sie, Herr Bongers, haben Ihre Kulturrevolution in Deutschland auch erst 1968 begonnen, das war dreiundzwanzig Jahre nach Kriegsende.«
    »Ich glaube, sie hat Angst, dass es zu spät sein könnte. Es werden Fakten geschaffen.«
    »Da liegt Miriam nicht unbedingt falsch. Man muss dasso sehen: Wenn man die kommunistischen Seilschaften als das organisierte Verbrechen betrachtet, Politiker, Militär, Securitate, so helfen die Westkonzerne – und der europäische Steuerzahler   –, ihr Geld zu waschen und salonfähig zu werden. Das ist jetzt nicht gegen Sie persönlich gerichtet, verstehen Sie mich nicht falsch . . .«
    »Wie denn?« Martin blickte Dan ratlos an. »Hinter allem steht immer ein Mensch. Und der hier bin ich. Gestatten Sie mir noch eine letzte Frage, bevor ich gehe. Wie gut kennen Sie sich im Weinbau aus?«
    Dan zuckte mit den Achseln. »Mit der technischen Seite weniger, mehr mit den Liegenschaften und Grundstückspreisen, den entsprechenden Gesetzen . . .«
    »Ist Ihnen in Ihrer Laufbahn mal ein Wein mit dem Namen Zodiac untergekommen?«
    Man konnte Dan ansehen, wie er nachdachte, seine Augen wurden leer, als suchte er etwas lange Vergessenes. »Ja. Es gab mal einen Wein mit dem Namen.«
    Martins Lebensgeister kehrten zurück. »Und wo kam der her?«
    »Von welchem Weingut? Das weiß ich nicht mehr, aber ich könnte meinen Großvater fragen . . .«
    Das sagen sie alle, dachte Martin, und dann kam nichts mehr.
     
    Auf dem Weg zum Winzer Alexandru Garbor hielt Martin kurz an einem Markt. Auf einigen Tischen hatte er eine Batterie von Plastikflaschen gesehen, Cola, Fanta, Wasser, anderthalb Liter. Alle waren mit einer gelben Flüssigkeit gefüllt. Von Weitem hatte es wie Honig ausgesehen. Der ältere Mann hinter dem Tisch, ärmlich gekleidet, unrasiert und grau im Gesicht, erzählte etwas von
vin alb
und wiederholte es eindringlich.
Vin alb!
– als wäre es eine Qualitätsbezeichnung. Drei Lei verlangte er für die Flasche, das war nicht mal ein Euro. Wahrscheinlich handelte es sich umeinen dieser Hybrid-Weine, den die EU bald verbieten würde. Der Alte würde dann hier nicht mehr stehen, er würde nichts mehr zu verkaufen haben und es sich nicht leisten können, seinen halben Hektar mit Merlot, italienischem Riesling oder Fetească Albă neu zu bepflanzen. Die europäische Kommission würde seine Einnahmequelle trockenlegen. Ob sie ihm dann Arbeitslosengeld gewähren würde?
    Martin setzte sich in den Wagen, schraubte die Flasche auf und roch daran. Der Wein war längst oxidiert, er roch süß und parfümiert wie das billige Parfüm einer Drogistin. Er blickte zur Seite und sah, dass der Verkäufer ihn beobachtete. Er lächelte und nickte auffordernd. Jetzt scheute er sich, die Flasche gleich wieder zuzuschrauben, setzte die Flasche an die Lippen und trank ein wenig. Es war ein Arme-Leute-Wein: überzuckert, zäh und pappig. Martin wandte sich wieder dem Verkäufer zu und lächelte. Dankbar winkte der Alte, und Martin schämte sich. Er hatte etwas falsch gemacht, er hatte sich in diese Welt begeben, hatte vom Wein probiert, den das Volk trank, war mit einer Intellektuellen aneinandergeraten, die eine verdammt klare Sprache gesprochen hatte, noch dazu seine eigene. Und was ging es ihn an? Nichts. Aber er war in ihre Welt gekommen und nicht sie in die seine. Alles geriet durcheinander. Man musste die Augen schon fest zukneifen, um das Gesehene wieder zu vergessen.

18
    Alexandru Garbor schien ein vernünftiger Mann zu sein. Während Martin seine Weine verkostete, hielt er sich mit Kommentaren zurück und sagte erst dann etwas dazu, nachdem Martin probiert hatte. Sie saßen vor der Halle mit den Barriques an einem verwitterten Tisch in der Sonne. Es hatte endlich aufgeklart, aber als ihn Alexandru Garbor durch seine Weinberge gefahren hatte, waren sie mit dessen Limousine vom aufgeweichten Weg abgekommen und in den Graben gerutscht. Er hatte seinen Verwalter mit dem Jeep hertelefoniert, aber der war beim Rettungsmanöver ebenfalls im Schlamm stecken geblieben. Erst der Traktorist hatte beide Wagen rausgezogen. Er kannte die Weinberge, er hatte auf dem Gut bereits unter sozialistischer Verwaltung gearbeitet, wie Alexandru Garbor erklärte. Garbors Vater hatte es nach der Wende gekauft. Wovon? Das hatte Martin nicht zu fragen gewagt. Er hatte das Gefühl, sowieso

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