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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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Kam damit Luciens These, Rumänien sei nur in die Union aufgenommen worden, um Russland militärisch einzukreisen, der Wirklichkeit am nächsten?
    Es war mittlerweile Nachmittag. Martin hatte Hunger, er hielt beim Fahren nach einem Restaurant Ausschau, aber die sich häufenden Schilder mit der Aufschrift Fast Food über dem Eingang von Imbissbuden und Rasthäusern waren um ein Vielfaches größer als der Hinweis Restaurant. Die Parkplätze ringsum waren mit gleichlautender Bandenwerbung versehen, was ihm jeden Appetit nahm. In Iaşi hatte er sogar zwei Dönerbuden gesehen. Er hielt an einem Supermarkt der ETHO S-Kette , über den Namen konnte er mittlerweile schmunzeln, und kaufte etwas Obst, Brot und ein Stück Salami. Damit ließ sich die Zeit bis zum Abendessen überbrücken. Er würde jetzt laufen, was seine Stimmung hob, er würde denselben Weg wie gestern nehmen. Hunde waren ihm nicht begegnet.
     
    Simion war ausgeflogen, und Ana Cristina spielte die Beleidigte.
    »Sie haben mich den ganzen Tag warten lassen.« Das klang wie die Beschwerde einer sitzen gelassenen Freundin. Sie zog einen Flunsch. »Seit vierzehn Uhr sitze ich hier, stehe Ihnen zur Verfügung – und Sie tauchen nicht auf, rufen nicht an und sind nicht zu erreichen. Man macht sich Sorgen, es kann etwas passiert sein, und keiner weiß, wo Sie stecken. Sie haben doch meine Mobilnummer?«
    »Dann müssen Sie sich jetzt keine Sorgen mehr machen«, sagte Martin entnervt, ihm ging das Getue auf die Nerven. »Ich bin wohlbehalten zurück, habe alles erledigt, was ich wollte, und ich habe all die getroffen, die ich treffen wollte.« Der letzte Satz war ihm herausgerutscht, als hätte er Ana Cristina ärgern wollen. »Sie können Feierabend machen«, schob er vermittelnd nach.
    »Essen wir nicht zusammen?« Ana Cristinas Ton änderte sich von einem Augenblick zum anderen.
    »Lassen Sie mich erst mal eine Stunde oder zwei entspannen, wir sehen uns später. Wo ist übrigens Mister Simion?«
    »Der ist Ihnen auch böse. Er ist nach Iaşi gefahren.«
    »Sie wollten nicht mit? Es hätte ihm gefallen, Iaşi ist eine hübsche Stadt, es gibt viel zu sehen . . .«
    »Ich kenne Iaşi. Außerdem habe ich auf Sie gewartet, Sie hätten mich brauchen können.« Der Vorwurf klang weiter durch.
    »Gut, um zwanzig Uhr im Speisesaal, ich lade Sie ein.« Er lächelte gequält, denn er zahlte sowieso ihre Spesen. »Wenn Simion nicht kommt, fangen wir ohne ihn an. Morgen starten wir spät, wir fahren über die Karpaten bis nach Bicaz. Da soll es ein schönes Hotel am See geben, wir haben keine Termine . . .«
    »Zum Lacul Izvorul Muntelui?«, fragte Ana Cristina und strahlte ihn an. »Er ist wunderschön.«
    »Fürs Rumänische sind Sie zuständig, ich werde mir nicht die Zunge abbrechen.« Damit drehte Martin sich um, er hatte heute bereits zu viel geredet und vieles gehört, was ihm nicht gefallen hatte. Er ging an der Rezeption vorbei in Richtung Treppe. Als er sich kurz umdrehte, bemerkte er, dass Ana Cristina ihm nachstarrte – es war ein geringschätziger, feindlicher Blick.
    Erleichtert warf er im Zimmer seine Mappe aufs Bett, ging ins Bad, wusch sich Hände und Gesicht mit kaltem Wasser und starrte sich im Spiegel an. Es war ein Fremder, der ihm entgegenblickte, er fand sich alt und abgespannt und misstrauisch, beinahe sich selbst gegenüber. Er war nicht so, wie er sich kannte, er mochte sich in der augenblicklichen Rolle nicht leiden, er war sich fremd geworden. Er schaltete das Licht aus und ging ins Zimmer zurück, wo er mit dem Umziehen begann. In diesen unpersönlichen Hotelzimmern war nichts, was er sein Eigen nennen konnte.Dann stutzte er. Irgendetwas war anders als am Morgen. Sicher, das Zimmermädchen hatte das Bett gemacht, geputzt und aufgeräumt. Sein Blick schweifte durch das Zimmer, er schaute in den Schrank und schloss die Türen wieder, wurde unruhig, sah nach dem Koffer, der unversehrt war. Er lag an derselben Stelle wie heute früh, genau dreieinhalb Rippen rechts vom Rand der Kofferablage, genau so, wie er ihn hingelegt hatte. Bevor er die Schubladen des Schreibtisches aufzog, betrachtete er ihre Position. Er hatte die oberste fest geschlossen, die mittlere so weit aufgezogen, dass die Innenseite der Schublade mit der Außenkante des Schreibtisches abschloss, und aus der untersten ragte die Spitze eines Blattes Papier. Wenn man sie aufzog, rutschte das Blatt nach innen. So hatte er alles zurückgelassen. Aber es war nicht der Tatbestand, dass man

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