Grounded (German Edition)
Mischung aus Sauberkeit und ihr selbst gerochen. Und mein Gott, was war sie hübsch gewesen. Ihr dunkelbraunes Haar war zu einem feschen Pferdeschwanz nach hinten gebunden, ihr breiter Mund lächelte selig. Ell hatte viel von ihr geerbt.
Die langen, schmalen Glieder und die hübsche Nase, zum Beispiel.
Ich hatte das Ende des ersten Albums erreicht. Bevor ich nach dem nächsten griff, atmete ich ein paar Mal tief durch.
Auf der ersten Seite fand ich Mum mit deutl ichem Schwangerschaftsbauch, meine Patsche-finger und Dads Hände stolz darauf drapiert, wir alle in die Kamera strahlend. Auch dieses Bild versetzte mir einen beinahe übermächtigen Stich der Rührung. Wir hatten uns alle wahnsinnig auf Ell gefreut. Mir kleinem Wicht hatten sie das neue Geschwisterchen sehr geschickt als neuen Spielgefährten und Verbündeten schmackhaft gemacht, sodass auch ich von Anfang an begeistert dem ins Haus stehenden Nachwuchs entgegen fieberte. Beschützen hatte ich sie wollen, das wusste ich noch. Selbst damals, als ich noch kaum alleine eine Hose anziehen konnte, hatte ich bereits meine Hände auf Mums Bauch gelegt um zu zeigen, dass jeder, der an meine Schwester heran wollte, zuerst an mir vorbei musste. Sie hatte in meiner Vorstellung von Anfang an mir gehört.
Ich, schlafend im Buggy, in blauen Strumpfh osen und einem Elefanten-Pullover. Bei dem Bild musste ich unwillkürlich lachen, es war zu drollig. Am besten gefiel mir der Elefanten-Pullover. Wurden so niedliche Klamotten überhaupt noch produziert? Oder war heute ausnahmslos alles voll mit pseudo-coolen Mist-Motiven?
Spaziergang am Fluss, ich wieder mit albe rnem Mützchen, Mum im feschen Herbstmantel; Dad und ich gemeinsam schlafend auf dem Sofa.
Dann kam Ell. Fotos eines zerknautschten Babygesichtes. Ich, stolz wie Bolle, und das unansehnliche, gut eingepackte Baby auf meinem Schoß drapiert. Mum mit Ell beim Stillen. Bilder eines Besuchs unserer neuseeländischen Verwandtschaft; Großvater, der ein lachendes, inzwischen nicht mehr hässliches, Babybündel durch die Luft wirbelte; Großmutter, hier noch deutlich jünger und mit weniger Speck auf den Hüften, mit mir auf dem Schoß; herrlich gestellte Familienbilder in den Konstellationen Oma-Opa-Mum-Ell-ich, Oma-Opa-Dad-Ell-ich, Oma und Enkel, Eltern und Kinder. Opa und ich beim Spielen mit griffigen Holzfiguren. Ich erinnerte mich, dass Opa diese Figuren selbst geschnitzt hatte und spürte einen Anflug der alten Ehrfurcht und Bewunderung, die ich als Kind immer für ihn gehegt hatte. Ob es schwierig war, etwas zu schnitzen? Ich musste Grandpa bei unserem nächsten Wiedersehen dringend darum bitten, es mir beizubringen.
Ell und ich im Sandkasten, Ell fasziniert mit einem Buddelförmchen in der Hand, ich stolz mit dem sandgefüllten Eimer; Ell plärrend auf der Rutsche auf dem Spielplatz. Ich hatte völlig vergessen, wie viel Angst sie immer vor Rutschen gehabt hatte. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Das nächste Bild zeigte Ell, vor mir sitzend auf der Rutsche, nun etwas weniger verängstigt, aber immer noch mit großen Kulleraugen und keinerlei Anzeichen eines Lächelns auf dem kleinen, roten Mund. Dann Ell schlafend, auf Mums Schoß; ich in einem Lokomotivführer-Faschingskostüm; Ell mit Schnuller im Mund auf Dads Arm, ich, stolz daneben, mit Schultüte und karierter gelber Mütze.
Ich durchblätterte nach und nach jedes Album und beobachtete, wie mein Herz regelmäßig höher schlug oder stillstand, verharrte mal länger, mal kürzer bei einem Bild und musste das ein oder andere Mal zum Paket Taschentücher, das ich wohlweislich in Reichweite platziert hatte, greifen.
Das letzte Album zu öffnen, fiel mir sehr schwer. Darin befanden sich die Fotos der letzten fünf Jahre. Die Digitalkamera hatte den Großteil der jüngeren Entwicklungen aufgenommen und die Analog-Fotos in unserer Familie nahezu vollständig abgelöst, dennoch war das Album ungefähr noch bis zur Hälfte gefüllt. Die Bilder der ersten Seiten zeigten hin und wieder noch Mum.
Ell, Mum und ich in Mützen und Jacken auf dem Waldboden herumkrauchend und nach Pilzen suchend; Ell und Mum, die Plätzchenteig ausrollten; ich mit den Fingern in der Teigschüssel, Ell mit drohender Geste in meine Richtung; Dad, eingeschlafen, mit einer seiner Medizinzeitschriften auf dem Bauch – der Lieblings- Schnappschuss von Mum. Danach Dad und ich beim Renovieren der neuen Wohnung, mit dem Rücken zur Kamera. Mehrere Bilder von einer
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