Gruber Geht
so nervös macht. Aber Ruth sagte: Diesmal bleibst du cool. Wenn er wirklich etwas will von dir, wird er sich wieder melden und zwar nüchtern, krank hin oder her. Ich meine, 4 Uhr 22 , aber manche Kerle trauen sich einfach nur betrunken, und wenn man sie dann kalt abserviert, trauen sie sich überhaupt nicht mehr oder sie fühlen sich abgewiesen und kommen aus lauter Stolz nie wieder. Aber Ruth sagte: Stolz sind wir selber. Also antwortete ich den ganzen Tag nicht, und es war mir den ganzen Tag schwer unwohl dabei, aber ich tat es trotzdem nicht, weil ich endlich einmal bei einem Kerl die Stärkere sein und das Richtige tun wollte, auch wenn es mir nicht richtig vorkam. Am nächsten Tag war die Chance irgendwie vorbei, aber ich dachte die ganze Zeit darüber nach, ob es nicht falsch gewesen war.
Ruth hat klare Regeln im Umgang mit Männern. Ruth ist cool. Aber Ruth kann leicht cool sein. Es kann ziemlich peinigend sein, mit Ruth in einem Straßencafé zu sitzen. Man ist praktisch unsichtbar neben Ruth, wie gar nicht da. Ruth ist ... Wenn du lange blonde Haare hast und blaue Strahleaugen und Brüste wie Ruth, kannst du leicht nicht auf einen Kerl reagieren. Weil er sowieso immer auf dich reagiert. Dann hast du es definitiv nicht nötig. Ruth sehen sie sowieso alle sofort, weil Ruth dem Beuteschema von absolut jedem Mann entspricht, und von Frauen manchmal auch. Zudem ist Ruth Ärztin, Gynäkologin, und das finden die meisten Typen erst mal geil. Eine Frau, die anderen Frauen an die Vagina darf, das törnt manche Kerle an, unfassbar, aber es ist so, die glauben, da sei irgendwas Lesbisches, das taugt denen. Später macht es sie nervös, aber erst mal finden sie es geil. Ruth hat also leicht reden. Andererseits hat sie selten einen Typen länger als ein paar Monate, dann stellt sie fest, dass er doch nicht perfekt ist und fängt an, an ihm herumzukritisieren. Sie fühlt sich missverstanden, und so weiter, jedenfalls ist er nach durchschnittlich vier Monaten ex. Seit ich Ruth kenne, hielt nur einmal einer ein Jahr, absolute Spitzenwertung, und der hat sie dann, was ich schwer glauben konnte, für eine stehen lassen, die nicht halb so schön war. Gerade in dem Moment, als Ruth bereit war, eine Schrankhälfte für ihn auszuräumen, was übrigens logistisch eine Spitzenleistung gewesen wäre, keine Ahnung, wie sie das hätte schaffen wollen. Und, am wichtigsten, sie wollte die Pille absetzen.
Das hat sie deshalb mächtig hergebeutelt, und nachher wurde sie noch cooler. Aber schön langsam wird es eng für sie, denn Ruth hat jetzt nicht etwa einen Kinderwunsch, nein, sie hat einen 3 -Kinder-Wunsch, drei und keins weniger will sie, und nächsten Sonntag wird sie siebenunddreißig und hat immer noch keins. Klar kennt sie die Möglichkeiten, das alles zu verlängern, aber trotzdem. Und weit und breit kein Kerl, der es auch nur in die Nähe des Arbeitskreises Vaterschaft schaffte. Der, den sie jetzt hat, hat schon zwei Kinder mit zwei Frauen. Den ließ sie vermutlich nur deshalb ran, weil er Kinder hat und so schön darüber reden kann, aber ich schätze, ihr wird bald schwanen, dass der deshalb noch lang keine sichere Bank ist, dass dem das Konzept drei-Kinder-mit-einer-Frau irgendwie nicht direkt im Genpool liegt. Aber das checkt Ruth jetzt noch nicht. Jetzt ist es gerade wie immer, wenn Ruth nämlich grad mal nicht cool ist, dann sprengt ihre Verliebtheit alle verfügbaren Verliebtheitsskalen, und so lange ist der aktuelle Kerl dann mindestens Gott. Diesmal dürfte es ungefähr Gott Nummer siebzehn sein, seit ich sie kenne. Ich gebe ihr noch drei bis allerhöchstens fünf Wochen, dann entdeckt sie den ersten Makel und ihr wird seine paternale Unstetheit klar werden. Und wenn Ruth erst den einen Makel gefunden hat, sieht sie schlagartig alle, und Ruth nimmt es sehr persönlich, wenn einer zufällig doch nicht perfekt ist: Auf Wiedersehen, tschau und tschüss.
Dann bekam ich plötzlich diesen Anruf vom Fehringer aus Wien, diesem Produzenten, der auch D J ist und sein eigenes Label hat. Und ein eigenes Studio, irgendwo in Meidling, ich habe mir das gemerkt, weil mir das Wort so gefiel, Meidling. Ich hab den mal kennengelernt bei der Transmediale, wir haben am selben Abend aufgelegt, ist ein guter Typ, macht coole Sachen, hat auch den Hell produziert, sehr gut. Arbeitet auch immer wieder mit diesen Mego-Wahnsinnigen zusammen. Und der Fehringer sagte mir, er produziert da so einen Sampler mit D J s aus Wien und Berlin
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