Gruber Geht
Zubereitung dieser Suppe zu schreiten, dieser ersten Suppe seines Lebens, er mag die Vorstellung eines Suppe erzeugenden und Suppe essenden Gruber, er fühlt Verlangen nach dieser Suppe, Rindssuppe, ja, Rindssuppe idealerweise, und er schreibt, nachdem er sich ein Bier aus dem Kühlschrank geholt und einen liebevollen Blick auf den demnächst der Benutzung zugeführt werdenden Herd geworfen hat, gleich eine SM S an Kathi: «was tut man eigentlich genau in eine suppe? rindssuppe! und ich hab ein sofa für dich», und bemerkt, als er es abgeschickt hat, dass es nach drei Uhr in der Früh ist. Wurscht, Kathi hat ihr Handy wegen den schlafstörenden und überhaupt gesundheitsschädlichen Strahlen vermutlich eh ausgeschaltet und in sicherer Entfernung hinter zwei geschlossenen Türen abgelegt. Und in drei Stunden muss Kathi sowieso aufstehen. Gruber legt das Handy weg und setzt vorsichtig, um sich keinen Schiefer einzureißen, die Füße auf die Kante des Couchtisches.
Der Couchtisch. Hat er sich aufdrängen lassen, von der Herzog, die hat sowas als Esstisch. Fand er interessant, als er einmal, kurz bevor er diese Wohnung kaufte, bei einem ihrer Diners war, interessanter Tisch, hat er gesagt und bereut es seither. Dabei hat er nicht einmal gesagt, schöner Tisch, nur: interessanter Tisch, aber mehr hat die Herzog nicht gebraucht. Dies und später Grubers Bemerkung, dass Lydia das Sofa dagelassen, aber den Couchtisch mitgenommen hatte, und er nun für die neue Wohnung ... Und er hatte die neue Wohnung noch kaum zu bewohnen begonnen, da war unvermutet die Herzog vor seiner Tür gestanden und hatte gestrahlt wie eine Braut am Hochzeitstag, was Gruber, der nichtsahnend und ziemlich verkatert in Unterhosen geöffnet hatte, mächtig unpassend fand. Hinter der Herzog hatten zwei massige, stark schnaufende Männer mit glühenden Gesichtern gestanden, die ein wuchtiges, langes, in Packpapier und Verpackungsfolie gewickeltes Ding trugen, das sehr schwer wirkte und offensichtlich nicht in den Aufzug gepasst hatte. Die Männer hatten den Unterhosen-Gruber mit wenig Wohlwollen angesehen und sichtlich auf einen Befehl der Herzog gewartet. Die hatte Gruber auf den Mund geküsst, irgendwas geplappert, ihn zur Seite geschoben, sich den Weg ins Wohnzimmer gesucht und auch gleich gefunden, ist ja auch nicht schwer, die ganze Wohnung ist ja praktisch nichts als Wohnzimmer, inklusive der Küche und des Fitnessabteils mit dem Cross- und dem Hometrainer vor dem wandhohen Fenster mit dem Blick über die Dächer, exklusive des Schlafzimmers, und das lässt sich, wenn man es so haben will, durch Wegrollen einer riesigen Milchglas-Schiebetüre, einer gläsernen Schiebewand eigentlich, auch ins Wohnzimmer integrieren. Gruber will es so haben, meistens. Ist ja eh keiner da, meistens. Aber hier, mit der enthusiasmierten Herzog und den schnaufenden Kerlen im Raum, schob er die Wand nun vor sein verwühltes, den klinischen Gesamteindruck völlig ruinierendes Bett. Die Männer waren mit dem wuchtigen Ding hinter der Herzog hergezuckelt, hatten es auf ihr Zeichen hin vor dem Sofa abgestellt – Gruber hatte gerade noch mit einer seinem Zustand widerstrebenden Verve den Flokati wegreißen können – und, auf ein Zeichen von der Herzog hin, auszuwickeln begonnen. Die Herzog, aufgeregt wie ein Teenager, hatte mit beiden Händen an der Verpackung gerissen und gezerrt, war aber von den Muskelmännern mit genervten Blicken attackiert und abgedrängt worden.
Es war ein Teakholz-Couchtisch, der aussah wie ein Miniaturmodell des herzoglichen Esstisches. Nämlich so, als hätten ihn Piraten im achtzehnten Jahrhundert in der Karibik vom Bord ihres Piratenschiffes geworfen, wo er dann, rissig und morsch, mit tiefen Kerben von Haiangriffen und Felsriffen, an welche die Brandung ihn geschleudert hatte, ausgebleicht von Sonne und Salzwasser, circa im Jahr 2006 an einen Südseestrand gespült worden war, um dort von ein paar kunsthistorisch versierten Ureinwohnern entdeckt zu werden, die ihn, anstatt das Treibholz umstandslos zu verfeuern, nachlässig reinigten, von Algen, Muscheln und anderem Getier befreiten und dann am Flohmarkt verkauften. Um ein Jahresgehalt für die Ureinwohner, aber ein Spottgeld für den schlauen Westler, der ihn dortselbst entdeckte. Natürlich war das Teakholz des Tisches in Wirklichkeit erst kürzlich geschlägert, industriell gesägt und dann irgendwo in Indonesien oder Indien von vermutlich halbverhungerten Kindern in licht- und
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