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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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als zwei von ihnen an einem Ort aufzuhalten hatten, glücklicherweise gezählt waren. Gottseidank zog Kathi überdies drei Heiden groß, drei grauenvolle Tauffeiern waren folglich allen erspart geblieben. Seinen Vater hatte er seit dessen siebzigstem Geburtstag überhaupt nicht mehr gesehen und Gruber verspürte kein Bedürfnis, das demnächst zu ändern. Das war jetzt, warte, mehr als vier Jahre her – was allerdings Anlass gab, sich schon einmal vor dem drohenden Fünfundsiebziger zu fürchten. Seine Mutter hatte ihren Siebziger ja letztes Jahr erst in Kroatien gefeiert, was unter den vielen Familienfeierlichkeitsdebakeln immerhin ein minderschweres gewesen war. Bloß hier, jetzt bei Kathi, fühlte sich Familie zum ersten Mal nicht wie ein Straflager an, sondern wie eine Möglichkeit. Also für andere, klar. War als Lebensidee vielleicht gar nicht schlecht, ganz praktikabel, selbstredend nur für Menschen mit einem Talent zur Spießerei, für Gruber also nicht.
    In der Nacht wacht Gruber auf, weil jemand an ihm zupft. Der Kurze steht schluchzend mit seinem Kuscheltuch an Grubers Bett. Offenbar kann er schon selber aus seinem Gitterbett kraxeln, und im nächsten Moment wird Gruber auch klar, aus welchem Grund der Kurze das gemacht hat: Ein Leuchten fährt durch Grubers weiße Box, und gleich darauf tut es einen furchtbaren Kracher, der den Kurzen unweigerlich in Grubers Bett fegt, wo er sich laut heulend an Gruber festklammert. Das Gewitter ist offenbar schon länger im Gange und im Moment gerade besonders heftig. Der Kurze gräbt seinen Kopf in Grubers Achsel, Gruber hört jemanden sagen: Ist schon gut, Kleiner, ist alles okay, ich bin ja da. Und stellt fest, dass er das selber sagt. Interessant, er wusste gar nicht, dass er derlei im Repertoire hat, das war offenbar in einer Kiste tief in ihm drin verstaut und springt jetzt, wo er es braucht, einfach aus ihm heraus. Interessant. Alles ist in Ordnung, sagt Gruber und streichelt den Kinderkopf, es kann gar nichts passieren. Aber wenn der Blitz in uns hineinschlägt! ruft der Kurze unter Schluchzern aus seiner Achsel heraus. Der Blitz wird, sagt Gruber, während der Donner drohend über die Landschaft rollt, der Blitz wird nicht in uns einschlagen, weißt du, der Blitz schlägt lieber in große Dinge ein, in Tannen und Seen, nicht in so kleine Häuser wie das hier, alles ist okay, Kleiner, alles ist okay, ich bin ja da. Und er ist, stellt Gruber fest, er ist gern da, mit und für den Kurzen, und er streichelt und tröstet den Kurzen weiter, bis er zu schluchzen aufhört und nur noch mit großen Augen aus Grubers Arm zum Fenster starrt, bis das Gewitter sich verzieht und die Augen des Kurzen einfach zufallen und er in Grubers Arm einschläft. Und da liegt er nun, und Gruber schaut ins Dunkel hinaus, in dem der Himmel sich noch vereinzelt erhellt und manchmal noch ein fernes Grollen zu hören ist. Es regnet stark. Gruber überlegt, ob er den Kurzen, der jetzt gleichmäßig atmet, zurück in sein Bett tragen soll, aber tut es nicht. Er bleibt ganz ruhig liegen und spürt den Atem des Kleinen und es ist, auf völlig unschuldige Weise, ein bisschen wie mit Henry. Näher, schöner und gewöhnlicher, als er sich sowas vorgestellt hat.
    Als Gruber aufwacht, fühlt sein Arm sich taub an. Es ist hell, sieht aber aus, als wäre es noch sehr früh. Es muss früh sein, abartig früh, sonst wäre der Kurze nämlich längst wach. Gruber streckt seine Beine aus und beugt sich dann vorsichtig über den Kurzen, der schwer auf seinem Arm liegt. Mit der anderen Hand fischt er nach seinem iPhone. Es ist erst kurz nach sechs. Und er hat eine Nachricht. Eine SM S , er hat tatsächlich eine SM S , das Gewitter hat offenbar das Funkloch aufgerissen und ihm eine hineingelassen, ein Blitz ist in die Verstopfung gefahren, was auch immer. Gruber hat eine SM S . Und die SM S ist von Sarah. Von Sarah. Aber es ist nicht die Antwort auf seine Superduper- SM S , nö, hmh, ist es nicht.

Gruber steht am Gepäckband. Heiliger, das dauert. Dauert das immer so lange? Oder nur hier? Es stehen auch viel zu viele Menschen herum, früher gab es auf Flughäfen nicht so ein Gedränge, früher ging es auf Flughäfen exklusiver zu und flotter, ging es doch, oder. Früher flog nur, wer es sich leisten konnte oder wessen Firma es sich leisten konnte, heute jeder Depp. Tatsächlich hatte Gruber, und er konnte es überhaupt nicht fassen, Landeklatscher im Flieger gehabt, auf einem Kurzstreckenlinienflug bitte! War

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