Grün. Le vert de la Provence
nicht behagte.“
„Und dann wurde Melissa beauftragt!“
„Richtig! Sie haben Ed im reinsten Sinne des Wortes bei
den Eiern gepackt, um seinen Vorteil zunichtezumachen. Das würde dann auch
erklären, weshalb du unbedingt das Haus verlassen solltest. Sie vermuteten
wohl, dass sich die gesuchten Informationen bei euch in der Bastide befinden
würden, Melissa also unbedingt ins Haus musste, um sie Ed abzuluchsen.“
„Und du glaubst, sie war erfolgreich?“
„Weder wir noch Vidals Leute haben bei der Suche etwas
gefunden, dass außergewöhnlich genug war, um zwei Morde erklären zu können. Wir
können also nur mutmaßen.
Erste Mutmaßung: Melissa hat von Ed das erhalten, was sie
beschaffen sollte. Möglicherweise lautete ihr Auftrag dann, ihn bis zum Exitus
zu bringen. Sie verschwindet anschließend aus der Bastide und übergibt die
Information Seefelder. Oder sie stirbt, bevor sie etwas übergeben kann. In
beiden Fällen muss Engler versuchen, an diese Infos heranzukommen, oder er hat
das Nachsehen.
Zweite Mutmaßung: Sie realisiert, dass Ed die gesuchten
Informationen nicht preisgibt oder preisgeben kann. Auch in diesem Fall könnte
Eds Tod dann als nächster Schritt geplant gewesen sein. Engler und Seefelder
mussten sich in Folge auf die Suche nach Pauline machen. Zeitgleich mit mir …“
Anselm stockte. Er sah schweigend auf Valeries Nacken, die, ohne zu reagieren,
mit dem Rücken zu ihm verharrte.
„Unsere beiden Polizisten kommen! Ich bin gespannt, wie
es mit uns weitergeht“, bemerkte sie schließlich nebenbei.
Entscheidende Schritte
„Fantastisch“, murmelte Vidal, „einfach fantastisch!“ Er
hatte der Versuchung nicht widerstehen können, das Chateau noch einmal genau zu
betrachten. Die Ausgeglichenheit der Proportionen, die kleinen Details
architektonischer Meisterschaft und die völlige Harmonie mit der Landschaft
begeisterten ihn wie beim ersten Mal, als er dieses Gebäude auf der Rückfahrt
von Valerie Baumann entdeckt hatte.
Er hielt an der schmalen Bergstraße. Ein Blick in den
Innenhof der Anlage wäre reizvoll, dachte er, aber das Tor war verschlossen.
Nicolaus Gauthier hatte Details zur Geschichte dieses Ortes geliefert, die er
im Internet gefunden hatte. Echtes Multitasking, hatte er seine
Parallelrecherche zur polizeilichen Ermittlungsarbeit genannt.
Nach seinem Bericht hatten Widerstandskämpfer auf der
Straße südlich des Chateaus den Vormarsch deutscher Truppen auf Prades
blockiert. Innerhalb von zwölf Minuten hatten dabei zweihundertfünfzig deutsche
Soldaten den Tod gefunden. Eine Woche vor der Landung alliierter Truppen in der
Provence.
Es gibt so vieles, was ich von dieser Gegend noch nicht
weiß, dachte Vidal. Dabei sind sechzig Jahre nun wirklich nicht die Ewigkeit.
Oder eigentlich doch. Streng genommen sind das zwei Generationen, und damit
verlöschen allmählich die Spuren der Vergangenheit. Irgendwann werde ich mich
damit mal intensiver beschäftigen. Irgendwann!
In Prades wartete Gauthier im Hotel de la Poste. Die Police nationale hatte den Speisesaal zu einem provisorischen
Polizeiquartier umfunktioniert. Valerie Baumanns Haushälterin Sophie war dort,
in sich zusammengesunken in einer Ecke neben ihrem Schwager sitzend, der
Apotheker, der Buchhändler, ortsansässige Markthändler, der Bürgermeister, der
Arzt, der den Totenschein für Ed Baumann ausgestellt hatte, die Gendarmen der
Police municipale und Vidals Kollegen aus den Teams, die an den einzelnen
Tatorten weiter nach verwertbaren Spuren suchten und Vernehmungen durchführten.
Vidal war erschöpft, dehydriert, hungrig und entnervt. Nachwehen der Migräne
quälten ihn. Seit einer Woche jagte er ein Phantom, das scheinbar willkürlich
mordete und ihm kaum einen Anhaltspunkt gab, den nächsten Mord verhindern zu
können.
Immerhin hatten die Einwohner von Prades zu reden
begonnen. Die Angst hatte Oberhand erhalten. Angst, selber das nächste Opfer
werden zu können. Und Angst um Pauline und Alain. Vidal überflog die ersten
Vernehmungsprotokolle, fragte vereinzelt nach und suchte nach
Übereinstimmungen, Unterschieden und Auffälligkeiten in den Aussagen. Die
Menschen beobachteten ihn, verfolgten stumm jede seiner Bewegungen. Die
Anspannung war ihnen von den Gesichtern abzulesen.
„Dies könnte die kleine Ursache für die fatale
Entwicklung sein!“ Gauthier hielt ihm ein kleines Fläschchen vor die Augen.
Altmodisch, aber ganz hübsch anzusehen. Vertrauenserweckend. Es erinnerte Vidal
an die
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