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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
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einen Mord, oder
zumindest, um dort eine Leiche zu deponieren. Wenn der Köter von dem Alten
nicht hätte pissen müssen, wäre die Rechnung des Täters vermutlich aufgegangen.
In der Wildnis gibt es genug aasfressendes Viehzeug und die Hitze hätte den
Rest erledigt. In wenigen Wochen wäre von der Leiche nicht mehr viel übrig
gewesen. Und eigentlich konnte der Täter davon ausgehen, dass bis zum Herbst dort
auch niemand Halt macht oder im Vorbeifahren irgendetwas bemerkt. Selbst die
Spuren, die der Täter hinterlassen musste, als er die Tote den Hang
hinabgezogen hat, sind kaum nützlich. Die Spurensicherung hat Unmengen von
Geweberesten an dem Unterholz gefunden. Über Jahre sind dort Jäger unbekümmert
hinab- und wieder hinaufgestiegen und haben ihre Spuren hinterlassen.“
    Gauthier kaute eine Weile auf seiner Unterlippe. „Das
spricht für Insider-Kenntnisse. Da scheint jemand ganz gezielt mit dem Mädchen
hingefahren zu sein.“
    „Oder mit der Leiche.“
    „Oder das! Dann wären auch keine Argumente nötig gewesen,
um sie dorthin zu locken. Ich meine, ohne sie mit Gewalt dorthin zu
kutschieren.“
    „Dafür gibt es aber keine Anzeichen.“ Vidal massierte mit
Daumen und Zeigefinger die Stirn. „Vermutlich können wir davon ausgehen, dass
sie dort oben am Pass erschossen wurde. Was bedeutet, dass irgendwer sie
irgendwo abgeholt hat und sie vertrauensvoll zu diesem Jemand ins Auto
gestiegen ist. Irgendwo, wo eine junge Frau nach einer langen Partynacht
hinkommen kann. Oder wo sie gewohnt hat. Das kann eigentlich nur eine Stadt
sein, vielleicht Avignon oder Carpentras, Orange. Trotzdem kannte der Täter die
Stelle am Pass ganz genau. Es muss also ein Bezug zu der Gegend dort oben bestehen.“
    „Jemand, der dort oben schon einmal zur Jagd war.“
    „Oder, der die Dörfer dort in Augenschein genommen hat.
Zum Beispiel ein Makler oder ein Interessent für alte Höfe.“
    „Gibt es irgendwo Sommerresidenzen dort oben? Die Tote
wirkt doch alles in allem so, als wäre sie eine Luxusbraut gewesen. Das passt
nicht zu der traurigen Wirklichkeit entlang der Straße.“
    „Entlang der Passstraße gibt es nur diese traurige
Wirklichkeit. Luxus beginnt erst wieder in der Gegend von Prades und vereinzelt
an der Strecke ins Tal, zum Beispiel das Haus der Baumanns.“
    „Siehst du einen Zusammenhang?“
    „Ich habe lange darüber nachgedacht. Wir müssen in jedem
Fall Baumanns Witwe, den deutschen Autor und das Personal noch einmal verhören,
vielleicht hat jemand das Mädchen gesehen. Vielleicht war sie es ja auch, mit
der Baumann ein Verhältnis hatte. Uns fehlt ein Hinweis auf die Identität der
Toten. Momentan stochern wir im Nebel.“
    „Sehen wir uns die Nachtclubs und Diskotheken in der
Region an?“
    „Vermutlich unumgänglich, wenn du mich schon fragst. Das
wird aber wohl eine weitere Nachtschicht werden.“
    „Du solltest dir bis dahin einige Stunden Schlaf gönnen!“
    Vidal stand zögerlich auf. Er schwankte leicht, bis sich
sein Kreislauf wieder zu normalisieren begann. „Ruf mich an, sobald irgendeine
neue Erkenntnis vorliegt.“
    „Klar. Übrigens soll ich dich von meinem Vater grüßen. Er
sagt, dass er noch einige Details über den Sommer vierundvierzig weiß. Willst
du ihn noch dazu sprechen?“
    „Nein, ich glaube, dieser Aspekt ist irrelevant. … Oder doch,
es interessiert mich eigentlich. Vielleicht fahre ich Sonntag kurz bei ihm
vorbei. Ich gehe mit Julie wandern, danach könnte ich ihn besuchen.“
    „Wandern? Du? Und das, während wir hier einen Mord
aufklären?“
    „Eine kurze Auszeit. Ich hatte es Julie versprochen. Wenn
ich das wieder nicht halte, dann ist Schicht. Es wird nicht ewig dauern und ich
bin telefonisch erreichbar. Weißt du, dass ich seit fast vier Wochen keinen Tag
frei hatte? Das ist doch nicht normal. Wir sind nicht normal. Es bleibt dabei,
ich gehe Wandern.“
    „Wo?“
    „Rocher de la Marlène.“
     
Duft der Bücher
    Die Schnellstraße stieg von Prades aus steil zu einem
Ausläufer des Berges an, der Anselm bei seiner Ankunft aufgefallen war. Ein
kolossaler Solitär, dessen kahles Haupt kalkweiß mit dem tiefen Blau des
provenzalischen Himmels kontrastierte. Der Abzweig der alten Passstraße lag
unmittelbar hinter diesem Anstieg. Anselm schauderte. Er dachte an die tote
junge Frau, und beobachtete Valerie mit kurzen Blicken. Sie zeigte keine
Reaktion.
    Die neue Straße war ungeachtet gewachsener Siedlungen und
natürlicher Gegebenheiten durch die einsame

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