Grün. Le vert de la Provence
zu
geben.“
„Ist er schwul?“
„Kann sein. Er hat sich mir gegenüber aber noch nie
geoutet. Vielleicht soll sein Gehabe auch nur das Genie in ihm besser
hervorheben. Ich freue mich aber ehrlich, dass er hier ist. Werde ihn morgen
als Erstes anrufen.“
Sie tranken, an den Kühlschrank gelehnt, in hastigen
Schlucken eiskalten Weißwein aus Wassergläsern. Anselm schenkte nach und fand
in der Tiefe des Kühlschranks noch etwas Schinken, Käse und Oliven. Gierig saugten
sie beim Kauen das Salz heraus.
„Wir sollten nach Prades fahren und dort etwas essen.
Irgendwo draußen sitzen, Wein trinken, Leute beobachten und für einen Abend so
tun, als wären wir normale Urlauber.“ Anselm sprach, während er weiter an dem
Schinken kaute. Der hastig getrunkene Wein begann zu wirken und erzeugte einen
leichten, sehr angenehmen Schwindel in ihm. „Und wir sollten gleich fahren,
bevor wir betrunken sind.“
Valerie hielt ihm ihr Glas auffordernd hin. „Wenn schon,
denn schon. Nach dem Elend des heutigen Tages hilft nur, betrunken zu sein.
Vielleicht krieg ich dann gar nicht mit, wenn ich ermordet werde.“
Anselm schenkte Valerie noch einmal nach, nahm selber
aber nur noch einen kleinen Schluck. „Dein Haus wird von der Polizei überwacht.
Das hält vielleicht den Killer fern, aber die könnten uns natürlich wegen
Trunkenheit am Steuer belangen.“
„Vielleicht! Aber die stehen nicht ständig vor dem Haus,
sondern fahren nur ab und an hier vorbei. Die sind nur zu dritt in Prades.
Denen fehlen einfach die Leute.“
„Bist du sicher?“
„Ja. Sophie weiß da Bescheid. Sie hat mich angerufen und
gefragt, ob ich bei ihr vorrübergehend wohnen möchte.“
„Wolltest du aber nicht?“
„Nein! Und jetzt fahren wir. Ich schalte die Alarmanlage
ein. Wenn jemand einsteigt, während wir beim Essen sind, kommt die Kavallerie.“
Sie bestellten Bier. Zwei Pression. Aus dem Fass und, wie
üblich in Frankreich, eiskalt. Die umfangreiche Speisekarte sahen sie sich erst
gar nicht an. „Ich nehme ein Entrecôte frites, sauce roquefort . Das gibt’s
überall, das geht schnell und ich habe Hunger!“ Anselm sah Valerie an, sie
stimmte zu. Das Restaurant lag an einem kleinen Platz, abseits der schmalen
Hauptstraße, die Prades in engen Kurven und einspurigen Engpässen durchquerte,
die es Lastwagen unmöglich machten, den Ort zu passieren. An drei Seiten
grenzten alte Bürgerhäuser an den Platz, die in den vielen glutheißen Sommern
und feuchten Wintern dieses Berglandes gehörig Patina angesetzt hatten. Manche
der Gebäude fanden durch den zunehmenden Tourismus langsam wieder die Beachtung
ihrer Eigentümer und Bewohner und wurden renoviert. Durch eines dieser Häuser
führte ein niedriger Bogengang in ein angrenzendes Viertel. Die vierte Seite
des Platzes öffnete sich zu einer Gasse, die dem Range Rover kaum genug Raum
gegeben hatte, die wenigen Parkbuchten zu erreichen, die vor den im Freien
stehenden Tischen und Stühlen für die Restaurant- und Hotelgäste reserviert
waren.
Kübel mit Oleander, Lorbeer und Buchs grenzten die
Freifläche des Restaurants von den Gehwegen und den Parkbuchten ab. Sie hatten
sich einen Tisch in unmittelbarer Nähe des Wagens gesucht. Valerie nahm die
Beileidsbekundungen des Restaurantbesitzers und einiger Gäste mit einem
zurückhaltenden Nicken entgegen. Es waren mehr Scheinbekundungen, der ganze Ort
zerriss sich das Maul über Eds Tod, über sie und über den fremden Deutschen,
der in das Haus gezogen war, soviel hatte sie von Sophie erfahren.
Mochten die Leute denken, was sie wollten. Nicht die
waren in Gefahr, sondern sie. Und jetzt wollte sie einfach einmal Ruhe und
Entspannung. Anselm hatte Recht, sie benötigten beide dringend Normalität.
Zumindest für einige Stunden. „Was hast du in Aix gemacht?“, fragte sie, vom
kalten Bier hinreichend erfrischt, aber auch um einige Grade alkoholisierter.
„Seefelder gesucht!“ Er brach ein Stück vom Baguette ab,
wischte den Rest der köstlichen, sehr senfigen Vinaigrette vom Salatteller und
schob es sich bedächtig in den Mund. Valerie schwieg und beobachtete ihn.
„Was wolltest du von Seefelder?“, fragte sie schließlich.
„Er hat doch nichts mit Eds Beziehung zu Pauline zu tun?“
„Etwas fehlt bisher in dem Puzzle. Ein Bindeglied, eine
gemeinsame Vorsilbe, ein Verwandtschaftsverhältnis oder so. Ed hatte in letzter
Zeit sehr viel Kontakt mit Seefelder hier in der Provence. Seefelder hat ein
Buch bei ihm
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