Grün. Le vert de la Provence
veröffentlicht, in dem es um pflanzliche Wirkstoffe geht. Aus der
Sicht der Biotechnologie. Ed hat sich für dieses Thema brennend interessiert
und Pauline gilt geradezu als die Hohepriesterin der Pflanzenheilkunde,
zumindest hier in der Region. Da muss es etwas geben, das die drei verbindet,
von dem zumindest ich noch nichts weiß, und das ich von Seefelder zu erfahren
hoffte. Ich habe ihn aber nicht sprechen können. Seine Haushälterin sagte mir,
dass er nicht da sei. Geglaubt habe ich ihr aber nicht.“
„Er ist viel unterwegs.“ Valerie kratzte mit der Gabel
imaginäre Figuren auf das Tischtuch. „Und er hätte dich vermutlich auch nicht
empfangen. Ist nicht so seine Art.“
„Hat er dich empfangen, als du am letzten Wochenende in
Aix warst?“
Valerie setzte die Malerei fort und starrte dabei auf
eine Falte der Tischdecke. „Er wollte mich sehen. Ich bin aber nicht zu ihm
gegangen. Wir haben uns kurz am Blumenmarkt getroffen. Im Café.“
„Du warst das Wochenende über nicht mit ihm zusammen?“
„Nein. Ich war bei Cecile, genau, wie ich es der Polizei
auch gesagt habe.“ Sie sah Anselm jetzt in die Augen. „Es gab aber mal eine
Zeit, da war ich öfter bei Christoph, allerdings nie hier in der Provence. Wir
hatten eine kurze Beziehung. In Köln.“
„Dein Tröster bei Eds biologischen Exkursionen?“
„Es ist über ein Jahr her. Er tauchte plötzlich in meinem
Leben auf. Ich meine, wir kannten uns schon eine ganze Weile über Ed, aber er
war eben nur ein Bekannter von Ed. Nicht mehr. Und plötzlich war er da und gab
mir die Bestätigung, die Ed mir zunehmend vorenthalten hatte. Seefelder war
sehr direkt. Charmant, fantasievoll, aber eben direkt. Ich sei unglaublich
erotisch, er würde mich über alles begehren und in seinen Träumen würden wir
uns bis zum Wahnsinn lieben. Ich sah mich wieder als Frau, als erotisches
Wesen, und nicht länger als ausrangiert, alt und unattraktiv. Ed hatte mich
quasi auf Nulldiät gesetzt und da war nun jemand, der mir wieder die Essenz des
Seins gab.“
Der Kellner brachte die Steaks. Scharf und kurz mit
duftendem Rosmarin und Thymian gebraten. Eine sämige Roquefortsauce überdeckte
Teile des Fleisches und kontrastierte zu dem auslaufenden blutigen Bratensaft.
Daneben türmte sich eine große Portion knusprig brauner Pommes frites. Der Duft
war überwältigend. Anselm tauchte begeistert eine Pommes in die Sauce und
lutschte genussvoll daran, schob sie dann ganz in den Mund, kaute mit
geschlossenen Augen und ließ ein gedehntes „Mmh“ hören. „So simpel kann
leckeres Essen sein.“ Er schnitt ein kleines Stück vom Entrecôte ab und hob es
mit der Gabel an, verharrte einen Moment und fragte, bevor er das langsame
Zerkauen gerösteten Fleisches zelebrieren würde, noch rasch: „Wie lange ging
das mit dir und Seefelder?“
„Nicht sehr lange …“ Valerie unterbrach ihre Antwort, um
ihrerseits jetzt Fleisch in den Mund zu schieben.
Beide kauten. Anselm war als Erster fertig und trank
einen Schluck. Sie waren wieder bei Weißwein angekommen. Valerie schluckte und
Anselm beobachtete, wie sich ihr Kehlkopf hob und senkte und die Speiseröhre
intensiv daran arbeitete, das zerkleinerte Fleisch zum Magen zu befördern. „Wie
lange?“
„Die Intensität, mit der er mich wollte, hat mich
beeindruckt. Seine enorme Erektion, die Wildheit, die Beständigkeit. Ich habe
das alles auf mich bezogen. Ich war euphorisiert.“
„Wie lange hast du das auf dich bezogen?“ Wieder schob
Anselm ein Stück Fleisch in den Mund, um Valerie dann kauend zu beobachten. Sie
legte das Besteck beiseite, sah ihn entnervt an und wischte sich mit der
Serviette den Mund ab.
„Drei, vier Monate vielleicht. Ich habe irgendwann
begriffen, dass er nicht so sehr von mir begeistert war wie von sich. Christoph
ist ein Mann, für den auch Sex bedeutet, dominieren zu wollen und das absolute
Alphatier zu sein. Sein Schwanz ist sein Marschallsstab, sein Zepter, sein
Schwert, seine Lanze; und weibliche Unterleibe sind sein Schlachtfeld, auf dem
er Heldentaten vollbringt. Insbesondere dann, wenn es sich um die Unterleibe
von Frauen handelt, deren Männer er kennt. So kann er dann auch indirekt diese
Männer dominieren.“
Anselm hatte das Kauen unterbrochen und starrte Valerie
an. Um etwas entgegnen zu können, versuchte er, das zerfaserte Fleisch
schnellstmöglich hinunterzuwürgen und verschluckte sich dabei. Er hustete
mehrmals in die Serviette bis er wieder frei atmen und sprechen
Weitere Kostenlose Bücher