Grün. Le vert de la Provence
konnte. Tränen
traten ihm in die Augen. „Sehr charmante Beschreibung!“ Er wischte sich die
Tränen ab und trank einen großen Schluck Wein. „Wusste Ed davon?“
„Zunächst nicht. Ich habe es ihm aber erzählt, als es
vorbei war.“
„Und?“
„Nichts und! Ed hatte keine Veranlassung mir Vorwürfe zu
machen oder enttäuscht zu sein. Er hatte dermaßen viele … viele Eskapaden gehabt,
dass mein kurzer Ausflug in die Arme von Christoph Seefelder dagegen
unbedeutend war.“
„War es für dich auch unbedeutend?“
„Zunächst nicht. Dann war es enttäuschend. Oder
vielleicht sollte ich lieber sagen, desillusionierend. Dann wurde es ganz
allmählich unbedeutend.“
„Eigentlich eine Ironie des Schicksals. Du gehst einmal
fremd und dann mit einem Typ, der genau wie der Gatte gestrickt ist.“
Valerie sah Anselm stumm an, schüttelte den Kopf und
schob eine Gabel voll Pommes frites in den Mund. Sie kaute gemächlich und
blickte Anselm dabei weiter an. „Stimmt so nicht“, sagte sie kauend. „Ed konnte
sich an jeder Frau, mit der er ein Verhältnis hatte, begeistern. Natürlich ging
es ihm auch um sein Ego und um sein Vergnügen, aber die Jagd folgte dem Antrieb
der Faszination. Frauen waren für Ed ein beständiger Quell der Lust. Er
begeisterte sich an ihnen als Menschen, so fragwürdig die Personen dabei auch
manchmal waren. Und er begeisterte sich an ihren Körpern, am Sex mit ihnen.
Paradoxerweise habe ich ihn dahin gebracht. Als wir uns kennenlernten, war sein
Sexualleben eher, sagen wir einmal, katholisch. Eine lustfreie Betätigung zur
Fortpflanzung. Durch mich hat er erstmalig den Spaß dabei entdeckt.“ Sie trank
und schob Pommes nach. „Chris ist da ganz anders. Er jagt um des Erlegens
Willen. Frauen sind Beute. Seine Ejakulation ist der finale Todesstoß, den er
in einen sich windenden Körper setzt. Das Stöhnen der jeweiligen Frau beim
Orgasmus ist für ihn wie das Todesröcheln eines erlegten Wildbrets oder eines übermächtigen
Gegners. Ich habe immer darauf gewartet, dass er nach dem Beischlaf aufsteht,
sich auf die Brust trommelt und wie ein Borneo-Orang-Utan brüllt.“
„Tolle Geschichte! Und ich habe diesen Mann in Aix
verpasst.“ Anselm hatte das Entrecôte beendet und wischte, in Ermangelung von
Brot, mit dem Finger den verbliebenen Bratensaft vom Teller und lutschte ihn
dann genüsslich ab.
„Du hast nichts verpasst. Und er hätte dich auch nicht in
seine Nähe gelassen. Der Mann ist verliebt in sich und darin, Macht zu besitzen
und sie auszuüben. Andere Menschen sind ihm eigentlich ziemlich egal. Er lässt
den Kontakt mit anderen nur zu, wenn es seinen Interessen dient. Ich fürchte,
du hättest dies nicht erfüllt.“ Sie kaute versonnen ein letztes Stück Fleisch.
„Seefelder hat ein Ziel, dass er mit absoluter Härte und Konsequenz verfolgt.
Ich bin einmal unfreiwillig Zeugin davon geworden, wie hart und konsequent er
dabei vorgehen kann.“
„Welches Ziel?“, unterbrach Anselm sie.
„Wollte ich dir grade erklären.“ Sie legte das Besteck
beiseite und wischte sich den Mund ab. „Er will mit seinem Konzern zu einem der
führenden Anbieter für pharmakologisch nutzbare Genpatente am Weltmarkt werden.
Alles, was irgendwo auf der Welt wächst und eventuell als Arzneimittel oder zur
Kosmetik taugt, möchte er analysieren und die gewonnenen Erkenntnisse
patentieren lassen.“
„Das bedeutet was?“
„Na ja, genau kann ich es dir auch nicht erklären. Ich
habe immer nur Details mitbekommen, Seefelder hat ja keine Plauderstündchen mit
mir abgehalten. Aber er hat natürlich gern durchblicken lassen, was für ein
wahnsinnig wichtiger Mensch er ist. Ich habe mir die Tätigkeit von SBT dann
zusammengereimt. Zum Beispiel, dass sie irgendwo im Regenwald des Amazonas
irgendein indigenes Volk entdecken, das irgendeine Pflanze kennt, die, sagen
wir mal, gegen Krebs, Bluthochdruck oder zu hohen Cholesterinspiegel wirkt. SBT
analysiert das und versucht dann, ein Patent auf den Wirkstoff zu erlangen. Die
Indios, die möglicherweise diese Pflanzen vermarkten könnten, gehen vermutlich
leer aus oder sie werden sogar von ihrem Land vertrieben, damit SBT ungehindert
den Zugriff auf die Pflanze erhält. Aber das ist natürlich alles nur
spekulativ. Wie gesagt, konkrete Geschichten hat Christoph mir nicht erzählt.
Ich habe mir immer nur gedacht, dass ich lieber kein Gegner von ihm wäre.“
Der Chef des Restaurants brachte eine hausgemachte Crème
Caramel. Er lächelte
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