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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
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Höhe
auf.“
    „Das bedeutet, wir haben zwei völlig voneinander
unabhängige Opfer, einen Täter und keinerlei Motiv“, konstatierte ein anderer
Kollege. „Und wenn es tatsächlich so sein sollte, wie Luc vermutet, dann kann
es doch eigentlich nur bedeuten, dass der Täter ein Ziel verfolgt, bei dem ihm
beide Opfer eher zufällig in den Weg kamen.“
    „Das scheint bei dem Käsehändler so gewesen zu sein. Das
Mädchen könnte aber seinem Mörder zumindest schon einmal vorher begegnet sein.
Sie starb vermutlich auf dem Parkplatz oberhalb der Fundstelle. Und sie muss da
ja irgendwie dort hingekommen sein. Vielleicht in Begleitung der Person, die
sich dann spontan dazu entschlossen hat, sie dort oben zu töten. Aus welchem
Grund auch immer. Aber es ist zumindest kein Nachweis dafür zu finden gewesen,
dass es dort einen Streit gegeben haben könnte und damit vielleicht einen Mord
im Affekt. Und für eine geplante Hinrichtung hätte der Täter vermutlich eine
andere Waffe benutzt. Also bleibt auch hier nur die Vermutung, dass der Mörder
einem Impuls gefolgt ist und improvisierte. Es würde mich nicht wundern, wenn
er dabei eine Waffe verwendet hat, die dem Mädchen gehörte. Haben wir darüber
schon weitere Erkenntnisse?“ Luc Vidal sah mit hochgezogenen Brauen in die
Runde.
    „Haben wir! Kleines Kaliber mit hoher Durchschusskraft.
Vermutlich eine russische PSM. Wurde in den siebziger Jahren als
Selbstverteidigungswaffe für den Geheimdienst entwickelt. Leicht, flach und gut
zu verstecken. Auf den Schwarzmärkten dürfte die relativ einfach zu erhalten
sein. Und über das Mädchen haben wir jetzt auch Klarheit. Ihr Name ist
Melissa“, erklärte Gauthier, „Melissa Lindner, zweiundzwanzig Jahre jung,
letzte Adresse Düsseldorf. Die Deutschen Kollegen wurden um Hilfe ersucht.
    Eine Woche vor dem tödlichen Beischlaf mit Edgar Baumann
hat sie sich in einem Hotel am Stadtrand von Avignon eingemietet, dort eine
Kreditkarte vorgelegt und die übliche Identifizierungskarte des Hotels
erhalten, mit der man das Haus betreten, den Lift benutzen und die Zimmertür
öffnen kann. Nach Aushändigung der Karte ist man praktisch anonym. Eine
Reinigungskraft hat nach drei Tagen, in denen das Zimmer nicht benutzt worden
war, die Verwaltung benachrichtigt. Da erinnerte sich jemand an den Mord und
hat uns eingeschaltet. Wie, wann und wo sie mit Baumann in Kontakt kam, ist
weiterhin unklar.“
     
    Der Austausch der Erkenntnisse zog sich hin. Vidal stand
mehrfach auf und ging zum Fenster, um dort mit geschlossenen Augen tief
einzuatmen. Sein Bewusstsein hinkte dem realen Sein hinterher. In seinen Venen
schien Blei zu fließen. Immer wieder überfiel ihn ein leichter Schwindel. Die
anderen redeten weiter. Mal vernahm er ihre Informationen wie von weit her
gesprochen und ihn nicht berührend, mal drang jedes einzelne Wort wie ein
elektrischer Stromschlag in seine Gehirnwindungen, verband sich mit Bildern und
Assoziationen, löste intensive Handlungsimpulse und eine tiefe Unruhe in ihm
aus.
    Das tote Mädchen hatte sich Edgar Baumann offensichtlich
gezielt genähert. In ihrem Hotelzimmer waren Notizen gefunden worden, in denen
Baumanns Vorlieben, seine typischen Tagesabläufe, seine persönlichen Interessen
und Abneigungen skizziert waren. Sie hatte gewusst, wie sie seine sexuellen
Neigungen ausnutzen konnte. Es gab in ihrem Hotelzimmer auch eine Packung mit
dem potenzsteigernden Medikament, von dem Anselm Bernhard gesagt hatte, Baumann
würde nicht dieses, sondern ein anderes Präparat benutzen. Dazu hatte die
Spurensicherung einen kleinen Mörser und ein Klestil gefunden, an dem Reste des
Präparats sichergestellt wurden. Das Mädchen Melissa hatte nichts dem Zufall
überlassen und Baumann vor dem Sex das Mittel vermutlich mit einem Getränk
verabreicht.
    Warum sie sich Baumann ausgesucht hatte, war allerdings
nicht klar. Auch die Möglichkeit, dass sie sich ihm quasi auf Bestellung
genähert hatte, blieb zunächst nur eine Hypothese, die Vidal aber sehr
interessant fand, weil dies einen größeren Kontext herstellte. Eine Affäre auf
Bestellung nahm zumindest diesem Fall den Anschein der Zufälligkeit. Irgendwo
gab es dann eine bestimmende Absicht. Und irgendwo gab es einen Auftraggeber
oder eine Auftraggeberin. Jemand, der im Hintergrund blieb und andere für sich
vögeln und morden ließ. Der Gedanke ließ sogar eine weitere Hypothese zu. Mit
dem Wissen über Baumanns Herzprobleme und seine sexuelle

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