Grün. Le vert de la Provence
angekommen.
In Absprache mit Madame Baumann sei die Flutlichtanlage
eingeschaltet worden und man hatte beobachten können, wie sich ein Fahrzeug
schnell aus dem Lichtkreis entfernte. Mehr war nicht geschehen. Valerie Baumann
hatte auf Polizei oder Einsatzkräfte des Services verzichtet, die Nacht über
aber das Licht angelassen.
Glut
Auf dem Tisch gruppierten sich Reste eines aufgebackenen
Baguettes und eines Tiefkühlcroissants, das weich und schlapp auf dem Teller
lag, Gläser mit Konfitüre, zwei große Kaffeeschalen mit kalt gewordenem
Café au Lait
und die
auseinandergefalteten Seiten der Süddeutschen und von La Provence. Sie hatten in der Küche gefrühstückt. Improvisiert und ohne die sonst üblichen
Frischeprodukte der Bäckerei von Prades.
Anselm rieb mit den Fingern immer wieder über die eichene
Tischplatte und beobachtete Valerie, verfolgte ihre Bewegungen, ihre Mimik, die
Richtung ihrer Blicke. Sein Kopf schmerzte als Resultat des Besäufnisses, in
das die vergangene Nacht gemündet war. Sie waren euphorischer Stimmung gewesen,
nachdem sie von dem unbemerkten Verfolger erfahren und sich der erste Schrecken
gelegt hatte. Immer wieder hysterisch lachend, rauchend und Unmengen von Wein
dabei trinkend war die Stimmung ständig überspannter geworden. Valerie hatte
Musik angestellt, erst französische Stücke, dann einen Sampler mit ihren
Lieblingsstücken von Simply Red und bei Something Got Me Started zu tanzen begonnen, barfuß, in der Küche und in immer schnelleren Drehungen.
Anselm hatte dann ebenfalls Schuhe und Strümpfe ausgezogen und sich ihrem
wilden Tanz angeschlossen. Sie hatten sich berührt, bei Thrill Me die
Haut des anderen gesucht, sich ungestüm entkleidet und er hatte sie rücklings
auf den Tisch gelegt. Sie hatten sich gegenseitig immer wieder begierig
ertastet und, während sie sich an dem Fühlen ihrer Körper elektrisierten und
sich wie besessen küssten, den Schweiß geschmeckt und die Finger in das Fleisch
des anderen gekrallt. Schließlich war Anselm, als Mick Hucknall Holding Back
The Years anstimmte, in völligem Sinnesrausch in sie geglitten, bis sich
ihre Ekstase mit wildem gutturalem Gebrüll entlud. Dann war er erschöpft zu
Boden gesunken, während Valeries Beine vom Tisch herabbaumelten und ein Fuß auf
seinem Gesicht ruhte. Beide hatten hechelnd nach Luft gerungen.
Als sie schließlich ins Bett gingen, hatten sie ihre
Kleidung in der Küche zurückgelassen, nackt das hell erleuchtete Haus
durchquert, Valerie mit ihrer Flinte und Anselm mit einer Flasche Mineralwasser
in der Hand, dabei wieder hysterisch über die Möglichkeit gelacht, von einem
Mörder in dieser Situation überrascht zu werden. Sie hatten sich ein weiteres
Mal geliebt und waren dann in einen komatösen Schlaf gefallen.
Jetzt schaute Valerie zum wiederholten Mal auf die Uhr
und drückte dann eine Zigarette in der leeren Schale eines Frühstückseies aus.
„Das ist ekelhaft!“, bemerkte Anselm.
„Stimmt!“ Sie sah noch einmal auf die Uhr.
„Wann wollte Alain kommen?“
„Es gibt keine bestimmte Zeit. Wenn er sagt, dass er
kommt, dann ist er meist bis spätestens halb neun hier. Vorher versorgt er
seine Ziegen und kommt dann. Manchmal bin ich noch gar nicht wach.“
In einem Reflex sah auch Anselm auf die Uhr. Gleich neun.
„Wie kommt er rein? Durch das Tor?“
„Er benutzt eine kleine Pforte weiter unterhalb. Die
liegt näher an seinem Weg.“
„Ist die auch gesichert?“
„Nicht so wie das Haupttor und das Haus. Es gibt zwei
solide Sicherheitsschlösser und eine kleine Webcam, die über eine Solarzelle
Energie erhält.“
„Also keine Rundumsicherheit?“
„So viel, wie es machbar war und die Versicherung es
gefordert hat. Ed hätte gern mehr gemacht, aber das war technisch praktisch
unmöglich oder zumindest kaum bezahlbar gewesen.“
„Hatte er Angst?“
„Es gab Berichte über Leute, die in ihren einsamen
Häusern überfallen und ausgeraubt worden waren. Und Ed war häufig fort, so dass
ich allein in dem Haus war. Ich glaube, er hat es mehr für mich gemacht.“
„Und Alain, zu dem habt ihr grenzenloses Vertrauen? Der
kann hier rein und raus, ganz wie er möchte, ohne dass ihr oder jetzt eben nur
du das mitbekommt?“
„Aber natürlich! Alain gehört zur Familie und er gehört
zum Haus. Diese Beziehung besteht schon ewig. Paul Baumann hat ihn quasi als
guten Geist des Hauses übernommen, als er das Anwesen gekauft hat. Die beiden
sind sehr enge Vertraute
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