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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
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Begeisterungsfähigkeit
wäre das Mädchen eine perfekte Mordwaffe gewesen, deren man sich nach
vollbrachter Tat entledigt hatte.
    Dieser Fall bekam einen außergewöhnlichen Charakter. Und
einen morbiden Charme. Es blieb allerdings die Frage nach dem Motiv. Aber das
hatten beide Morde gemein. Auch bei dem Käsehändler war unklar, wer und warum
getötet oder die Tat beauftragt oder zumindest einem Täter freie Hand gelassen
hatte, seine Aufgabe ohne jede Einschränkung durchzuführen.
    Die Befragung der Nachbarn in dem entlegenen Tal hatte keine
Verdachtsmomente eröffnet. Pauline Bouchet lebte seit Jahren sehr zurückgezogen
auf dem verfallenen Hof, den sie von ihrer Mutter und diese von den Großeltern
geerbt hatte. Alle Frauen der Familie hatten eine tiefe Beziehung zu
natürlichen Heilpflanzen gehabt und ihr Wissen stets helfend eingebracht.
Pauline galt allerdings als eine außergewöhnliche Kennerin der Materie, die
auch von Ärzten und Apothekern geschätzt und um Rat gefragt wurde. In ihr
entlegenes Refugium waren aber nur sehr selten Besucher gekommen.
    Auf dem Pfad, der hinter ihrem Hof das Tal querte, waren
schwache Reifenspuren von Geländemotorrädern und Mountainbikes erkennbar
gewesen, ohne konkrete Hinweise liefern zu können. Der Täter war mit Hilfe
eines Schraubenziehers aus dem Werkzeugarsenal im Schuppen in das Haus
eingedrungen, hatte dabei aber keinerlei verwertbare Spuren und nicht den
kleinsten Ansatz von einem Fingerabdruck hinterlassen.
    Auf die vielleicht brauchbarste Fährte hatte der
Antiquar, den Anselm Bernhard und Valerie Baumann in Avignon aufgesucht hatten,
die Polizei geführt. Er hatte den Großteil der Bücher, die auf dem Boden des
Mordzimmers gefunden worden waren, an Ed Baumann verkauft. Was fehlte, waren
die wirklich wertvollen Stücke, wie zum Beispiel die mehrbändige Originalausgabe
von Elizabeth Blackwells A Curious Herbal. Es sprach viel dafür, dass
sich diese Werke in der Sammlung von Pauline Bouchet befunden hatten. Wer dort
gesucht hatte, musste über profunde bibliophile Kenntnisse verfügt haben, oder
aber Pauline Bouchet hatte diese Werke bereits zu einem früheren Zeitpunkt aus
ihrem Haus entfernt und an einem anderen Ort in Sicherheit gebracht. Vermutlich
dorthin, wohin sie sich selber auch in Sicherheit gebracht hatte, vor einer
Gefahr, die sie gekannt oder zumindest geahnt hatte. Vielleicht war sie aber
auch bereits selber Opfer geworden. Das dritte in dieser Serie des Grauens. Und
der Täter war lediglich zu ihrem Hof gekommen, um dort das zu suchen, was er
bei ihr nicht hatte finden können. Vidal weigerte sich zu glauben, dass dies
ein antiquarisches Buch sein könnte, selbst wenn dessen Marktwert erheblich
wäre.
    Es musste noch etwas anderes geben, das dieses brutale
Vorgehen auslösen konnte. Er dachte über Baumanns Recherchen zu den
Geschehnissen im August neunzehnhundertvierundvierzig nach. Was konnte den Mann
so sehr an der Befreiung der Provence durch die alliierten Streitkräfte und den
Ereignissen in den Tagen und Wochen danach interessiert haben? War es
wissenschaftliche Neugier? War es die Spurensuche eines Autors? Oder waren es
persönliche Motive, die sehr viel tiefer in Ereignisse jener Zeit
hineinreichten?
    Sie hatten diesem Aspekt bislang kaum Aufmerksamkeit
gewidmet. Die Operation Dragoon! Mit allen ihren begleitenden Facetten von
Recht und Unrecht, von Sieg und Niederlage, von Frieden und Gewalt, von
Befreiung und Flucht, von Gewinnern und Verlierern, von Ereignissen, deren
Spuren vielleicht aus dem Dunkel der Vergangenheit bis in die Gegenwart
führten. Ausgehend vielleicht von einer Tat, die vergessen geglaubt war und die
nie in das Bewusstsein einer sechzig Jahre später lebenden Generation hätte
dringen dürfen, was nun aber möglicherweise geschehen war. Vielleicht hatte
Baumann in ein Wespennest gestochen und Täter von damals oder heutige
Nutznießer derer Taten aufgeschreckt. Vielleicht war er einer Wahrheit so nahe
gekommen, dass deren Vertuschung für die Betroffenen jede Gewalt rechtfertigte.
Vidal überkam ein Schauer.
    Ziemlich zum Ende der Besprechung erfuhr er noch, dass es
in der Nacht einen Alarm am Haus von Valerie Baumann gegeben hatte. Der
Sicherheitsdienst, um kooperative Zusammenarbeit mit der Police nationale
bemüht, hatte gegen zehn Uhr abends gemeldet, dass sich ein unbeleuchtetes
Fahrzeug dem Tor zu dem Anwesen genähert hatte. Wenige Minuten zuvor war der
Wagen von Anselm Bernhard mit zwei Personen besetzt

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