Grün war die Hoffnung
abbiegen. Sie beugt sich vor, hält das Glas schräg unter die Flaschenöffnung, während ich einschenke. Schwer zu sagen, was sie denkt, aber ich vermute, wenn sie sich zwischen April und mir entscheiden müßte, wäre ich schlagartig abgemeldet. Und das tut weh. Wirklich, das tut es.
»April?« frage ich, ziehe die Augenbrauen in die Höhe und halte ihr die Flasche hin.
»Nein, danke.« Sie sieht aus wie ein verwahrlostes Kind, das schlaffe schwarze Haar, die leicht asiatischen Augen, der lippenstiftlose Mund. Sie scheint ihre Schultern zu umklammern, was sie noch schmaler wirken läßt, die winzigen Hände sind vor dem Körper gefaltet, das Totem baumelt ihr in seinem lächerlichen kleinen Säckchen vom Hals. Was konnte Mac nur in ihr sehen?
Ich schmatze in Vorfreude auf den Champagner, verdünne ihn mit einem Schuß Orangensaft. »Und wie geht’s dem Buch?« wiederhole ich, und dabei höre ich die Stimme meines Vaters, den leise spöttischen Ton, wenn er abends in die Küche kam, um sich einen neuen Drink einzugießen, und mich am Tisch sitzen sah, die Schularbeiten vor mir ausgebreitet wie ein Haufen Altpapier. »Nu, wie geht’s?« fragte er immer.
April Wind senkt den Kopf. Zuckt die Achseln. Hält mir ihr Glas hin für einen Schluck Orangensaft. »So gut, wie man es erwarten kann.«
»Keine Großverlage, die dir die Tür einrennen?«
»Hör auf, Ty«, sagt Andrea und wechselt einen Blick mit April Wind. Der Blick besagt: Verzeih ihm, er ist eben ein Idiot, und ich bin ja auch ein Idiot, klar bin ich das – das ist mein Blut in diesem Buch, und das meiner Tochter.
»Was wird eigentlich gefeiert?« erkundigt sich April Wind mit ihrem piepsigen Kindergärtnerinnenstimmchen, und ich kann mich nicht beherrschen und sage: »Mac fährt wieder weg«, nur um zuzusehen, wie ihr die Kinnlade runterfällt.
»Das weißt du doch gar nicht, Ty...« Andreas Tonfall klingt leicht gereizt. Auf wessen Seite steht sie?
»Wollen wir wetten? Ihr denkt vielleicht, ihr kennt ihn nach den – vier, fünf Monaten? Aber ich bin seit zehn Jahren bei ihm, und ich weiß, er wird wieder kribblig, das ist immer so bei ihm. Wenn das Scheißwetter und diese Mucosageschichte nicht gewesen wären, wäre er vor Monaten schon abgedüst, glaubt mir.«
Und dann schwingt die Tür auf wie aufs Stichwort, und da ist er – Mac, mit Hut, Sonnenbrille und Aalpeitschen, flankiert von den Als. »Was tut sich, Leute?« trällert er und breitet die Arme aus. »Steht ihr etwa nicht auf diese wahnsinnige Sonne? Ist das nicht ein Supertag? Verdienen wir so was überhaupt, oder wie?«
Die Als haben schon bessere Zeiten gesehen. In ihren Augen flackern Visionen von Blackjacktischen, Cocktailkellnerinnen, Rennbahnen, und ihre Haut hat die Farbe von Nährlösung in einer Petrischale. Der Größere war mal Profiringer, zu Zeiten, als man so was noch interessant fand, und der Kleinere hat wie gesagt so zugenommen, daß er nicht mehr wie ein Mensch aussieht. Sie lassen sich auf ihre Stühle sinken, schwer und freudlos.
Mac grinst. Mac sprudelt geradezu über vor den Gefühlen, die seinen Leibwächtern fehlen, und einen Augenblick lang glaube ich, er schnappt sich die Büste von Chuck D von ihrem Sockel und tanzt mit ihr durch den Raum, aber dann gleitet er auf seinen Sitz am Kopfende des Tisches und entfaltet mit einer geübten Bewegung des Handgelenks seine Serviette. »Heute gibt’s Eier, wie ich höre«, kräht er und beschert uns sein berühmtes Lächeln, »genau wie damals, als Mama uns Rührei gebraten hat, uns acht Geschwistern in Detroit. Ja klar doch: Eier zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot – und jetzt ist das auf einmal ne Delikatesse, findet ihr das nicht irre?«
Ehe jemand antworten kann, holt April Wind hörbar Luft – ein schmerzender, hilfeschreiender, quasi in der Wiege erstickter Atemzug – und fragt: »Ist es wahr, Mac?«
Mac wendet sich kurz zu mir, die Sonnenbrille reflektiert das Licht des Kronleuchters in einem giftigsilbernen Blitz, dann kehrt sein Blick zu April Wind zurück, und ich muß unwillkürlich an ihr verkniffenes Lächeln der Zufriedenheit denken, das sie aufgesetzt hatte, als ich sie zum erstenmal frühmorgens aus Macs Zimmer huschen sah, oder damals, als sie bei einer Vorführung von Jahr 2022... die überleben wollen im Kinosaal auf seinem Schoß saß wie eine Bauchrednerpuppe. Na schön, denke ich, soll sie die Quittung ruhig kriegen. Wer ist sie schon, und wie hat sie sich hier bloß
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