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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Eier während der Belagerung knapp geworden. Nachdem wir alle eingezogen waren, hatte die Köchin – sie heißt übrigens Fatima und ihr Mann Zulfikar – eine Woche lang Omeletts und frisch gebackenes Brot serviert, dann aber gingen die Eier aus, und seitdem hatte es nur noch Fleisch, Reis und Gemüse aus der Dose gegeben. Der größere der beiden Als schaffte es am Anfang ein- oder zweimal über den Pulchris River, aber die Supermärkte waren bis auf die nackten Regalbretter leergekauft – nichts übrig außer Maisstärkepulver und eingelegten roten Rüben –, und bald danach konnte nicht einmal mehr der Olfputt die Fluten durchqueren, also blieben wir, wo wir waren, und kamen mit dem aus, was wir hatten. Deshalb freue ich mich auf einen Teller mit gebratenen Eiern, auch wenn ich sie mit Chapati statt mit Toast aufstippen muß, und ich streife die Stiefel an der Türschwelle ab, wasche mich und ziehe ein frisches Hemd und die schwarzgoldene Tourneejacke aus Satin an, die mir Mac geschenkt hat, als ich vor einem Monat keine Sachen mehr im Schrank hatte. Die Sonne flutet durch die Fenster, und ich bin tatsächlich am Pfeifen – Ride your pony, Ride your pony –, während ich in den Spiegel schaue und mir etwas von Macs Aftershave zu dreihundert Dollar die Flasche ins Gesicht klatsche.
    Im dritten Stock, im Gangsta Rap Room, wie sich herausstellt, versammeln wir uns zu einem formellen Brunch – Mac hat etwas anzukündigen. Als Andrea und ich in den Fahrstuhl steigen, ihr Arm ruht wohlig in der Beuge meines Ellenbogens, kann ich mir schon vorstellen, was er sagen will: er setzt sich ab. Fährt den Sommer über nach Norden – Fairbanks, Winnipeg, vielleicht in eines der großen Urlaubszentren auf Hokkaid¯o. Er wird in einen Hubschrauber steigen, Al & Al wird er mitnehmen (gerade noch rechtzeitig für den kleineren, der gut zwölf Kilo Schwabbelbauch zugelegt hat, seit es zu regnen anfing). Das ist in Ordnung so. Macht mir nichts aus. Solange ich seine Zusage für den Neubau habe, kann er von mir aus auf der Rückseite des Mondes sein, nicht daß ich seine Gesellschaft nicht genieße, bitte keine Mißverständnisse, aber Mac wird immer Mac bleiben, und das heißt ein alter Globetrotter. Das heißt Exzeß. Das heißt Mac in Edinburgh oder Reykjavík, über die Spieltische gebeugt oder als galanter Begleiter irgendeines Starlets durch die gepflegten Freßlokale, wo sie einem Thunfisch oder zwanzig Jahre alten Seeteufel zu dreitausend Dollar den Teller auftischen. Ich bin daran gewöhnt.
    Auf jeden Fall fühle ich mich gut, als wir durch die Tür in den Speisesaal walzen, bei Sonnenschein, Eier auf der Speisekarte und einer rosigen Zukunft in Aussicht. Der Tisch ist für sechs gedeckt (Chuy ist bei den Mahlzeiten nie dabei, obwohl Mac, da bin ich sicher, nichts dagegen hätte, als Demokrat und Menschenfreund, der er ist), und wir nehmen als erste Platz, knapp gefolgt von April Wind. »Halloho, Ty!« zirpt sie, als hätte sie mich monatelang nicht gesehen, und sie beugt sich zu Andrea hinunter, um ihr ein Küßchen aufzudrücken, ehe sie sich ans andere Ende der Tafel setzt, gleich neben Macs Platz. Sie hat einen aufregenden Winter hinter sich, die Zwergen-Tantra-Tussi im Kinderkleidchen, hat sich ihr Sierra-Buch aus den Fingern gesogen (vorläufiger Titel: Aus Liebe zu den Bäumen ) und mit Mac geschäkert. So ist es. Sie haben gemeinsame Interessen gefunden – Sternzeichen, Pantheismus, ganzheitliche Medizin, Yin-Yang und das androgyne Universum, außerdem Kristalle –, und da sie die einzige Frau unter siebenundsechzig ist, die es auf Pulchris Island verschlagen hat, denke ich mir, war es wohl unvermeidlich, daß sie Macs Blicke auf sich zog. Nicht daß er anspruchslos wäre – nur praktisch veranlagt.
    Auf dem Tisch stehen Orangensaft (frisch gepreßt, in einem Steinkrug), ein Teller mit Chapati und Schüsselchen mit eingelegten Limetten und Mangochutney, zwei Flaschen Champagner in Eiskühlern und eine Früchteschale mit Kiwis, Bananen und Kumquats aus unseren eigenen überschwemmten Obstgärten. Ich gieße mir ein Glas Orangensaft ein, dann entferne ich den Draht von einer Flasche Mumm Cordon Rouge, 1999, aus den Pulchrisschen Kellereien, und lasse den Korken knallen. »Na, und wie geht’s dem Buch?« frage ich und sehe April Wind an.
    »Gib mir einen Schluck, Ty.« Das ist Andrea. Sie will Champagner, und wer kann’s ihr verübeln nach dem vielen Sake-Fusel, aber nebenbei will sie auch meine Frage

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