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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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reingeschleimt?
    Macs Antwort kommt leise, so süß und lispelnd geraunt, daß meine Altmännerohren sie kaum verstehen: »Wenn du meinst, was ich denke, das du meinst, Baby, ja, dann stimmt es, wir machen uns hier vom Acker – Al und Al und ich –, heute nachmittag. Geschäfte, weißt du. Oben im Norden. Ihr könnt hierbleiben, und es wird alles wieder aufgebaut, also keine Sorge, Ty – du weißt genau, daß ich diese kostbaren lieben Geschöpfe unten im Keller für nichts auf der Welt opfern würde.«
    April Wind möchte dazu noch eine Menge sagen, das ist offenkundig, sie will die Geister der Bäume und andere animistische Gottheiten anrufen, sie will über Kristalle und Auras sprechen, will alle esoterischen Tantra-Tussi-Kräfte aufbieten, um Mac an sich, an uns zu binden, doch sie wirft ihm nur einen flehentlichen Blick zu und archiviert ihre Worte für später, wenn sie ihn allein erwischt. Ich wette normalerweise nicht, aber ich gebe ihr nicht mal eine zehnprozentige Chance, daß sie einen Platz in diesem Hubschrauber bekommt, wenn er sich mit unserem Gott aus dem Schlamm in die Lüfte erhebt. Wiedersehen, Mac, denke ich, und dann wollen wir mal.
    Die Geschehnisse bis zu diesem Punkt sind mir noch ziemlich klar in Erinnerung, der Champagner, die Verheißung von in Butter gebratenen Eiern, Mac, April Wind, Andrea, die beiden Als – all das ist gespeichert auf der Festplatte meines Altmännergedächtnisses. Aber der Rest hat leider Lücken und Löschungen erlitten. Muß wohl der Schockfaktor gewesen sein, selektive Erinnerung, unterdrückte Bilder – Eindrücke, die so nackt und schrecklich sind, daß man sie sich nicht eingesteht. Wohl oder übel, an folgendes erinnere ich mich noch sehr deutlich:
    Fatima, ganz in Schwarz, schiebt sich gerade durch die Schwingtür aus der Küche hier oben, die eigentlich nur ein Aufwärmraum ist, durch einen stummen Diener mit der Hauptküche im Erdgeschoß und dem Müllschlucker im Keller verbunden, und Zulfikar geht direkt hinter ihr mit seiner weißen Kochmütze und einer fleckigen Schürze. Beide tragen große silberne Teller, und ein vertrautes Ambrosiaaroma erinnert mich an meine Mutter, meine Großmutter, an die Küchen jener alten Zeiten, aber an den Geschmack der Eier erinnere ich mich nicht, deswegen nehme ich an, daß wir nicht so weit kamen. Ich sehe noch die großen silbernen Schüsseln mitten auf dem Tisch, Fatimas bohrende schwarze Augen spähen durch den Spalt in ihrem Schleier, und als nächstes sehe ich Dandelion vor mir, so absurd das auch scheinen mag, wie er sich mit Klauen und Tatzen vom Keller durch den Speiseaufzug hinaufarbeitet und dabei großen Mumm und löwenhaften Einsatz beweist, den ich unter anderen Umständen bewundert hätte. Und das ist vielleicht ein Bild: knapp zweihundert entschlossene Raubkatzenkilos, das gelbe Feuer in seinen Augen, die Mähne, die wie eine schlechtsitzende Perücke auf seinem Rücken hin und her schwingt, die spinnendürren Gliedmaßen, die reißenden Klauen. Er trotzt der Schwerkraft. Er ist leise, ganz leise, macht kein Geräusch bis auf das Kratzen der hakenförmigen Klauen, die sich ihren Halt suchen. Dandelion. Beim Klettern.
    Die Tür schwingt noch einmal auf, als würde noch ein weiterer Gang aufgetragen, ein größeres Festmahl als nur Eier – Curry mit Lamm-Tikka, aufgetauter Heilbutt in Kardamomsauce, unerwartete Delikatessen und zusätzliche Leckereien –, aber kein menschlicher Antrieb hat diese Tür aufgestoßen. Wer es zuerst merkte, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich, daß ich aufblickte, daß sich Köpfe umwandten, die Bewegung der Tür, und dann sah ich Dandelion dort stehen. Und ich roch ihn. Ein Löwe in der Tür hätte ja noch ein Schabernack des Lichtes sein können, Brille runter und am Ärmel putzen, bald mal neue Gläser verschreiben lassen, aber dieser Gestank ließ sich nicht beschönigen. Es war ein urzeitlicher Gestank. Es war der Gestank des Todes.
    In der Wildnis, als es noch Wildnis gab, töteten Löwen ihre Beute durch Ersticken. Sie rissen ein Zebra oder ein Gnu oder auch einen Kaffernbüffel und schlossen dann die breiten Kiefer um den Hals oder, häufiger noch, um Maul und Nase, bis das Opfer sich nicht mehr rührte. Wenn sie Menschen angriffen, so taten sie es meistens nachts, bissen sich durch eine Zeltplane oder Hüttenwand und packten ihr Opfer am Schädel, den sie augenblicklich zermalmten. Wenn die Beute aufwachte oder der Löwe sein Ziel verfehlte, konnte es

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