Grün war die Hoffnung
lümmelten und sich gegen den Tisch stemmten wie gegen einen Wind, der sie zur Tür hinaus- und in die Freiheit blasen könnte –, »wegen ihnen?«
»Ich bin jetzt Veganerin«, sagte sie.
»Ja, und?«
»Das bedeutet: keinerlei tierische Produkte, nicht einmal Eier und Milch. Und Make-up – weißt du, was die diesen armen Versuchstieren antun, bloß um das Zeug zu testen? Also, zum Beispiel Eyeliner : findest du, daß ein Kaninchen oder vielmehr Hunderte von Kaninchen sterben müssen, nur damit wir uns die Augen anmalen können? Schon mal vom Draize-Test gehört? Weißt du, was das ist?«
Er zuckte die Achseln.
»Da tun sie den Tieren diese Chemikalien in die Augen – das Zeug, das in Wimperntusche und Eyeliner drin ist –, und dann konzentrieren sie es immer stärker, um zu testen, was passieren würde, wenn irgendeine Trulli sich das zentnerweise ins Gesicht schmiert. Nur um zu sehen, ob die Kaninchen und weißen Mäuse davon blind werden. Findest du das richtig?«
Nichts war richtig. Ob man nun Schimpansen mit dem Aids-Virus impfte, Mäuse mit menschlichen Immunsystem schuf oder die Sierras abholzte. Natürlich war das nicht richtig. Aber das tat hier alles nichts zur Sache. »Kein Grufti mehr?« fragte er. »Was ist mit The Cure? Und deine schwarzen Sachen – hast du alles an einen Vampirclub verschenkt, oder was?«
»Dad!« sagte sie, und er wußte, daß sie ihm nicht böse war.
»Gehst du auch mit dem Hund raus?« erhob sich Bill Driscolls schwerer Baß über das allgemeine Gebrabbel. Der hätte Radiosprecher werden sollen, dachte Tierwater, einer von diesen abgefahrenen Frühstücksweckertypen. Oder, noch besser, ein Fernsehprediger. Den Hintergrund dazu hatte er ja. »Zweimal am Tag, wie du versprochen hast. Denn ich sage dir, der braucht das für seine Blase, und ich werde die Rechnungen vom Tierarzt garantiert nicht zahlen...«
»In der Schule alles in Ordnung?« wollte Tierwater wissen. »Und zu Hause? Kommst du mit Andrea klar?«
Sierra nickte.
»Weil du nämlich eine beschissen faule Fotze bist, Bunny, du bist als faules Stück geboren worden – ich sitze hier drin, und du kannst deinen mageren Arsch nicht zweimal täglich von der Couch schleifen...«
»Ich bin bald draußen, weißt du – nur noch sechsundzwanzig Tage –, und dann wird alles wieder so wie früher, du und ich...«
»...und Andrea.«
»Ja, und Andrea.« Er senkte den Kopf und atmete tief ein. »Aber ich weiß, daß ich ein paar Sachen getan habe, die ich besser gelassen hätte, und ich hätte mehr an dich denken sollen, an deine Bedürfnisse, meine ich – du hättest an erster Stelle stehen müssen –, und das werde ich diesmal tun, wenn ich rauskomme. Versprochen.«
Sie sah ihn scharf an, graue Augen, das hübsche Vollmondgesicht, das Haar zu einem Zopf zurückgebunden, die Hände im Schoß gefaltet. »Du brauchst dich nicht bei mir zu entschuldigen, Dad. Ich finde, was du tust – und auch, was Andrea und Teo tun –, ist das Größte überhaupt. Das einzige, was man tun kann.« Sie blickte kurz auf, als Bunny Driscoll einen lauten Schluchzer unterdrückte, dann sah sie wieder ihn an. »Für mich bist du ein Held.«
(Wenn man aus dem Gefängnis entlassen wird, was tut man dann als erstes? Man schnappt sich seine Alte und setzt sich ans Steuer eines Autos. Was für ein Auto? Egal. In meinen Fall war es der neue Jeep Laredo, den Andrea mir mit Aussicht auf den Immobiliendeal gekauft hatte, und der schlichte, prosaische Akt des Autofahrens – nach Lust und Laune irgendwohin zu düsen, auf dem Highway 101 South so richtig aufzudrehen, daß die Hügel und Wälder vorbeirauschen und alle braven Verkehrsteilnehmer von einem abfallen wie Blätter im Sturm – war das schönste Erlebnis meines Lebens. Ich trat voll aufs Gas, bis auf die Bodenplatte, alle Fenster offen, das Radio wummerte, über mir knallte die Sonne, und zur Rechten breitete sich der Ozean aus, frisch gestärkt und blau wie ein Gewehrlauf. Dann das Restaurant, ein richtiges Restaurant, mit schnieken Kellnern und Fisch auf der Karte – und Wein, Wein in einem Eiskübel, gleich neben dem Teller. Wir aßen draußen, in der Sonne, dann gingen wir ins Kino, meine Frau, meine Tochter und ich, wie echte Menschen. Schließlich ging es nach Hause, in das neue Haus, Mietvertrag für zwölf Monate, großer Rasen, Pfefferbäume an der Straßenfront, ist das nicht hübsch. Dann ins Bett. Und Sex.)
Doch ehe er zum Wagen gelangte, mußte Tierwater erst den
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