Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
Frieden und Gelassenheit, ein Leben in Liebe und Meditation und Vertrauen auf das Einfache, keine Verstellung, keine Spielchen, keine Plastikbegierde auf der Jagd nach dem Dollar. Ihre erste Ahnung, wie so etwas sein könnte, hatte sie schon zu Hause bekommen, wo Ronnie ein paar Leute kannte, die eine Reihe von Steinhäuschen mitten im Wald gemietet hatten, etwa anderthalb Kilometer von der Schnellstraße entfernt. Ronnie und sie gingen damals fast jeden Abend rüber, sogar wenn sie am nächsten Morgen aufstehen und arbeiten mußte, weil sie noch bei ihren Eltern wohnte, aber bei diesen Leuten konnte man so wunderbar die Seele baumeln lassen. Die Bewohner der übrigen Häuschen versammelten sich meist im letzten der Reihe – es gehörte zwei Schwestern aus Florida, JoJo und Suzie –, weil es das größte war und einen gemauerten Kamin besaß, den Suzies Freund ständig befeuerte.
    JoJo war schon älter, vierundzwanzig oder fünfundzwanzig, und hatte eine Zeitlang bei einer Kommune in Vermont gelebt, die sich Further nannte, und an guten Abenden, wenn nicht alle so stoned waren, daß sie wortlos in die Kissen auf dem Boden sanken und sich völlig dem Puls der Stereoanlage überließen, schwelgte JoJo in Erinnerungen. Sie war mit sechzehn Jahren dorthin gekommen, von zu Hause davongelaufen, hatte sich mit einem der Freaks zusammengetan und war drei Jahre geblieben. Beim Erzählen drehten sich ihre Augen nach innen, und die Asche ihrer Zigarette wurde weiß. Sie saß oft am Küchentisch und erzählte Star davon, wie es war, mit Menschen zusammenzuleben, die einen Tag und Nacht echt anturnten, mit mystischen Brüdern und Schwestern, die wirklich für einen bestimmt waren, extra ausgesucht auf der weiten Welt, und von den einfachen Freuden beim Brotbacken, beim Eierholen oder beim Einkochen des dünnen, leicht süßlichen Safts der Ahornbäume, bis man einen Sirup hatte, der wie flüssiges Gold war, wie man ihn im Laden niemals kaufen könnte.
    Ronnie saß dann meistens drüben im großen Raum – er war damals auf Heroin –, wo er döste, sich kratzte oder mit Grabesstimme über Autos, Anlagen oder Bands redete, und JoJo hatte immer einen Topf mit irgendwas auf dem Ofen, nur für den Fall, daß jemand Hunger bekam, und natürlich passierte das praktisch jeden Abend. Es war keine Kommune – es war eigentlich nicht viel mehr als ein Haufen ausgeflippter junger Leute, die miteinander leben wollten –, aber für Star schien es einmalig. Man konnte jederzeit dort auftauchen, in jedem der Häuschen, und fand immer irgendwen, mit dem man reden oder eine neue Platte genießen konnte – oder ein Gedicht oder Drogen oder was zu essen. Star machte es sich gern auf dem alten Flokatiteppich am Kamin gemütlich, Schulter an Schulter mit Ronnie, und dann hörten sie bis in den Morgen hinein Musik, während eine Pfeife oder eine Tüte kreiste, und wenn sie lieber quatschen oder ein neues Paar Stiefel oder ein Schmuckstück vorzeigen wollte, hatte sie Suzie und JoJo und noch ein halbes Dutzend Frauen als Ansprechpartner, die wie Schwestern für sie waren, wie Zimmergenossinnen im Studentenheim, nur besser.
    Damals, das war ein Vorgeschmack, leider nur ein kurzer. Denn es dauerte nicht lange, da nahmen die Bullen die Siedlung aufs Korn und machten es echt nervig, auch nur die dunkle Waldstraße entlangzufahren, ständig rechts ran, raus aus dem Wagen, und wo wollen wir denn so spät noch hin, und kenn ich dich nicht von irgendwoher? Außerdem ging es viel zu sehr um Drogen, nach einer Weile waren alle total abgedreht, und es gab kein wirkliches Miteinander – die meisten hatten ja weiterhin ihre Jobs in der Plastikwelt. Suzie wurde mit Dope erwischt, dann Mike, ihr Freund, und bald löste sich die Sache sang- und klanglos auf. Jetzt aber war Star hier, in Kalifornien, den Sonnenschein auf den Schultern, mit Ziegen, die sie anmeckerten, und sie war zum erstenmal wirklich Teil von etwas, von etwas Bedeutsamem. Zum Beispiel das hier: bis vor zwei Wochen hatte sie noch keine einzige Ziege auch nur gesehen – oder wenn doch, dann in einem Streichelzoo oder auf einem Bauernhof, als sie zehn war und ihre Kiefer sich fest um die Zahnspange schlossen, weil sie nicht zu lächeln wagte mit dem vielen unschönen Metall, das in ihrem Mund aufblitzte –, und jetzt konnte sie diese hier sogar schon total routiniert melken, wie eine Magd in einem Roman von Thomas Hardy, Star von den D’Urbervilles, die Versorgerin der Kommune.
    Also los. Die

Weitere Kostenlose Bücher