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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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einer stählernen Riesenhand von den Hufen fegte, und dann den zweiten, stärkeren Aufprall, bei dem das Kreischen von mißhandeltem Metall zu hören war. Der Pickup – am Steuer saß ein alter Mann mit Schirmmütze, dessen Gesicht zu einem tiefen Loch voller Empörung verfallen war – erwischte den Bus längsseits an der Beifahrertür, schüttelte sich dann los und rutschte weiter in einen Baum, in mehrere Bäume, und inzwischen verlor das Pferd das Gleichgewicht, fand es aber wieder, während Norms VW-Bus nach dem Zusammenprall einen langsamen, weiten Bogen beschrieb und in der Straßenmitte zur Ruhe kam.
    »Okay«, sagte Norm, »okay, alles okay«, als hätte er alles genauso geplant, als wäre das Ganze nur ein nettes Bravourstückchen, das er inszeniert hatte, um den Tag ein bißchen aufzupeppen. Er blutete aus einer Platzwunde an der Braue, ein grellrotes Reservoir von Blut sammelte sich in seiner Augenhöhle, ehe es in den Bart hinabtroff. Der Steg seiner Brille war zerbrochen, und die Windschutzscheibe zeigte jetzt ein spinnennetzartiges Mandala, das wie ein Ornament im Glas prangte – wie schlau von diesen deutschen Konstrukteuren, dachte Marco, wirklich schlau, aber sollte er nicht auf seiner Seite auch eins haben?
    Marco war in Ordnung, jedenfalls hatte er den Eindruck. Kein Blut, nichts gebrochen. Seine rechte Schulter fühlte sich etwas steif an, weil er damit dreimal in rascher Folge gegen das Armaturenbrett geknallt war, und das LSD kochte in seinen Adern und knisterte ihm in den Ohren, aber ihm fehlte nichts. Also schön, dann raus aus dem Wagen – die äußerst widerspenstige Tür aufgetreten, beide Füße auf die Fahrbahn gestellt, die sich fast überhaupt nicht bewegte. Das Pferd – Charley Horse – stand da, am ganzen Körper zitternd, als hätte man es mit Eiswasser begossen, Norm saß am Lenkrad seines Busses wie ein Denkmal, und der alte Mann – samt seiner alten Frau – hockte irgendwo im Wald mehrere Meter abseits der Straße. Alles war still.
    Bis der nächste Wagen – ein Monster von Gefährt, ein Buick, oder vielleicht war es ein Pontiac, hinten schwer belastet durch ein blaugeflecktes Motorboot auf dem Anhänger – reifenquietschend aus der Kurve schoß und Charley Horse sich zweimal aufbäumte, den Kopf senkte und versuchte, den herannahenden Wagen zu überspringen. Marco hörte sich schreien, aber er schrie gegen seinen Adrenalinstoß und das beständige Anbranden der Acid-Wellen an. Es ging jetzt voll los, und kein anderes Lebewesen schien ihn zu hören oder zu beachten, schon gar nicht das Pferd. Das nämlich in diesem Moment seine fünf Zentner Pferdefleisch gegen die sich bereits einfaltende Motorhaube des Buick warf – oder nein, es war doch ein Pontiac, jetzt sah man das spitze V aus Chrom mit dem aufgelöteten stoischen Indianerhäuptling – und langsam, auch sinnlos, mit seinen Hufen auf die Kotflügel zu beiden Seiten eintrommelte. Auch das Motorboot war jetzt Teil der Show geworden, es wurde aus dem Anhänger gehoben, blieb einen Moment in der Luft hängen, ehe es graziös über die Straße rutschte und erst an der Stoßstange des VW-Busses zum Stillstand kam.
    Jemand fluchte. Der Autounfall schien mit zusammengepreßten Zähnen zu fluchen, es war wie eine Anrufung, derselbe Einsilber, dreimal wiederholt, bis die Flüche zu Schreien wurden und Marco auf den Ursprung der Flüche zuging, durch einen Vorhang von dem, was real war, und dem, was sein könnte. Was er dort sah? Eine Frau am Steuer des Pontiac, Lockenwickler im Haar, verzerrtes Gesicht. Charley Horse hatte es geschafft, sich an der Spitze des Indianerkopfs – der Kühlerfigur – aufzuschlitzen und war dann auf dem Wagendach zusammengebrochen. Marco kämpfte gegen das LSD an, versuchte mit aller Macht, seinen Kopf wieder die Kontrolle über den Körper gewinnen zu lassen. Er wich den tretenden Hufen aus, den Hunderten von Eimern Pferdeblut und seinen verschlungenen grauen Gedärmen, und stemmte die hintere Tür des Pontiac auf. Er zog die Frau – diesen langgezogenen Schrei von Frau – an den Schultern auf den Rücksitz, als wäre sie ein Möbelstück, und dann zerrte er sie aus dem Wagen und auf den schwankenden Asphalt. Sie trug ihren Mund wie ein Abzeichen, lauter Lärm und Geschrei, und er stand neben ihr, legte ihr einen Arm um die Schultern, während Charley Horse sich durch sein Stampfen vom Wagendach hinunterbugsierte und die Straßenböschung hinabrutschte wie ein schwarzer Seelöwe, der zum

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