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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Krishna-Ding rausgekommen, um echt handwerkliches Geschick mit Hammer und Säge zu zeigen, und sämtliche Bräute hatten Sachen in Kartons gepackt wie Hilfstruppen nach einer Naturkatastrophe – aber trotzdem sah es in Drop City kein bißchen danach aus, als ob es ein Ziel gäbe, bis zu der Minute, als die Bullen vom County in ihren Bullenwagen mit den kleinen rotierenden Leuchtkugeln obendrauf die Einfahrt entlangkamen und die Bulldozer von der Straße abbogen.
    Wenigstens brachten sie die Bulldozer am Abend vorher in Stellung und ließen sie an der Hauptstraße stehen, wo sie sich jeder gut ansehen konnte, nur falls irgendwer eine Erinnerungshilfe benötigte – zwei Caterpillar-Räumfahrzeuge von der Größe eines Hauses, jeder zu einer Seite der Einfahrt geparkt. Mendocino Bill wollte ihnen gleich Sand in die Tankstutzen füllen, und in Pans Augen war das keine so üble Idee – als Kind hatte er solche Sachen im Umkreis seiner Wohnsiedlung oft genug gemacht, einfach weil es leicht ging und weil das Zerstören von Dingen stark war –, aber Norm sagte, nein, sie sollten sie in Ruhe lassen. Aber lustig war es wirklich nicht gewesen, als sie nebeneinander auf dem Hügel hinter der Farm gestanden und ein paar lahme Joan-Baez-Lieder gesungen hatten, während der erste Bulldozer auf seinen Raupen die Einfahrt heranklackerte und das hintere Haus niederwalzte, als bestünde es aus Pappe und Zahnstochern. Jiminy hatte fluchend die Faust geschüttelt, Star rannen die Tränen über die Wangen, und Norm sah dauernd über die Schulter, weil er den Sheriff mit einem Haftbefehl in der Hand fürchtete. Staubwolken stoben auf. Wände stürzten ein, und Ronnie mußte immer an diese Dokumentarfilme aus dem Zweiten Weltkrieg denken, auf die sein Vater so stand, die Schlacht um England, der Kessel von Stalingrad, eine Mauer weggeschossen, und schon war ein gemütliches Wohnzimmer mit Teetischchen freigelegt. Und dann machte es rumms, rumms , die nächsten Bomben fielen, und es stieg immer noch mehr Staub auf.
    »Was glaubst du, wo Norm übernachten will?« fragte Star durch das Wummern von Canned Heat – o Wunder, ein kleiner Collegesender in der Nähe von Portland, und Pan hatte ihn mit seinen geschickten Fingern gefunden. »Ich meine, falls er überhaupt anhält, bei ihm weiß man ja nie so recht, was?«
    »Stimmt«, sagte Marco. »Aber je weiter wir kommen, desto besser.«
    »Ja, theoretisch«, sagte Ronnie, der vor dem Aufbruch der Karawane aus Drop City losgezogen war und rund hundert garantiert apothekenreine Dexedrintabletten von einem Freak aufgetrieben hatte, den er in der River Run Bar in Guerneville kannte, und die hatte er dann – zum Selbstkostenpreis – wie Süßigkeiten an jeden ausgeteilt, der auch nur daran dachte, sich irgendwann ans Lenkrad zu setzen.
    Stars Beine waren nackt, und ihre Füße – hochgelegt auf dem Armaturenbrett wie zwei flatternde weiße Vögel – waren ebenfalls nackt. Sie trug eine nabelfreie weiße Bluse, abgeschnittene Jeans und vermutlich sonst nichts weiter, obwohl sie sich gelegentlich ein wenig Vanilleextrakt hinter die Ohren und in die Höhlung zwischen den Brüsten tupfte. Ronnie lehnte sich zu ihr hinüber und schnupperte. Sie roch nach Schweiß, nach natürlichen Ölen und künstlichen Pflegemitteln, die sie für ihre Haare verwendete, und da war es – ein zarter Hauch von Vanille, wie die Neige im Becher, nachdem man den Milchshake ausgetrunken hat. Sie hatte im Bus mitfahren wollen. Aber was hatte er getan? Er hatte gebeten und gebettelt und ihr jede Menge Schuldgefühle auf tausenderlei Art und Weise eingeflößt – wo sie doch den weiten Weg durchs ganze Land in diesem Wagen gekommen waren, mit diesem Radio, und sie hatte die Füße auf dieses Armaturenbrett hochgelegt, und ob all das denn gar nichts zählte? Na schön, hatte sie schließlich gesagt, na schön, okay, ja, natürlich. Logo fahre ich bei dir mit. Aber nur, wenn Marco auch mitkommt.
    Jetzt bemerkte sie: »So macht es irgendwie viel weniger Spaß. Ich will doch die Gegend sehen – vor allem wenn wir dann in Kanada sind. Ich will sie zwischen den Zehen fühlen und mich wenigstens mal für zehn Minuten in die Sonne legen, wißt ihr, und ist das etwa zuviel verlangt?«
    Niemand sagte etwas. Die Landschaft zog verschwommen in Grau, Grün und Braun vorüber.
    »Und die vielen Bäche und Flüsse, das ist ja, als gäbe es die gar nicht, als würde ich sie mir nur vorstellen – so wie der da drüben, seht ihr den?

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