Grün war die Hoffnung
Kackekügelchen. Und Reba – die scheint sich für die Chefin zu halten, seit Norm weg ist, und sie beruft ständig irgendwelche Versammlungen ein, sie und Alfredo, um, Zitat: ›die Nahrungsmittelsituation anzusprechen‹, aber es kommt nie jemand hin.«
»Dabei haben wir noch nicht mal Weihnachten«, sagte Pamela. Sie wußte nicht, warum sie es gesagt hatte – sie wollte keine Schwarzmalerei betreiben –, aber diese Leute, diese Hippies , mußten allmählich kapieren, worauf sie sich hier eingelassen hatten. Es war wie in der Fabel, die ihre Mutter ihr und Pris als Kinder vorgelesen hatte, von Äsop mußte die gewesen sein, die mit der Ameise und der Grille.
»Ich weiß«, sagte Star flüsternd. »Ich weiß.«
Später, nach einer zweiten Kanne Tee und ein paar Elchsteak-Sandwiches mit Zwiebelscheiben und Meerrettichsauce, die Pamela schnell zubereitet hatte, fragte Star, ob es ihr etwas ausmachen würde, wenn sie die Nacht über dabliebe – das ganze Ding, der ganze Trip da flußaufwärts sei jetzt schlicht zuviel für sie, sie halte das einfach nicht aus, nicht heute abend. Ginge das in Ordnung? Wären es zu viele Umstände? Ach was, sagte Pamela, überhaupt nicht – sie würde ihr gleich hier ein Bett zurechtmachen, in Sess’ alter Koje, und es war doch nicht zu fassen, daß er hier allein geschlafen hatte, auf diesem schmalen kleinen Sims, den ganzen letzten Winter hindurch!
Sie gab ihr eins ihrer Flanellnachthemden und Sess’ Schlafsack mit Eichhörnchenfell sowie freie Wahl bei den Pelzen – sie hatten eine ganze Pelzgalerie zum Aussuchen, und was hätten all die schicken Frauen auf Stöckelschuhen in New York und Chicago nicht dafür gegeben, wenigstens mal kurz zur Tür hineinzusehen –, und es war schön, wie eine Art Zeitsprung. Es war, als wäre sie wieder ein Mädchen, mit Pris neben sich, das Zelt hoch über ihnen, und das heimelige Geräusch ihrer schnarchenden Mutter auf dem Feldbett in der Ecke. Oder als ob eins der Nachbarsmädchen zum Übernachten herübergekommen wäre, wobei man ja meist überhaupt nicht schlief, höchstens im Morgengrauen. Erst nach Mitternacht drehte Pamela die Lampe herunter und wanderte in ihr eigenes Bett im angebauten Zimmer, sie fühlte sich entspannt und friedlich und müde, angenehm müde, dabei mußte sie über die witzige Symmetrie des Arrangements lachen – die Frauen waren hier drinnen, gingen unter einem Dach zu Bett, und die Männer waren da draußen, mummelten sich aneinander in der geballten kalten Faust der Nacht.
Am Morgen ließen sie sich viel Zeit bei Kaffee, frischgebackenem Brot und angerührtem Eipulver in einer Pfanne mit Schinken, Paprika und Tomaten, während das Tageslicht in schleppenden Stufen die Schatten verdrängte, bis es ein bleiches Geschliere bildete, das sich zu dieser Jahreszeit sowohl als Morgen- wie Abenddämmerung und auch gleich noch als Mittag ausgab. Sie hörten miteinander Radio – »Die Tundra-Themen« auf KFAR und »Trappergeplapper« auf KJNP , wo Olive Swisstack ihren Tommy in Barrow ganz lieb grüßen ließ, Ivor Johnsons Exschwiegermutter ihn dringend um einen Anruf bat und Jim Drudge einen Funkspruch aus Fort Yukon geschickt hatte, um allen zu erzählen, daß er atme wie jeder andere auf dem Planeten Erde und daß er darüber sehr froh sei –, und dann zündeten sie sich die ersten Zigaretten des Tages an und spielten eine sehr gemütliche Partie Schach.
»Weißt du was, Star«, sagte Pamela, nachdem sie Stars König in die Ecke getrieben und leise und sachlich das Schachmatt verkündet hatte, »gestern wollte ich dir den ganzen Abend etwas erzählen, aber, na ja, hat sich wohl irgendwie nicht ergeben.«
Star blickte vom Brett auf, wo sie versonnen einen Läufer berührt hatte, der ihr jetzt auch nicht mehr helfen konnte. Die Teetasse stand neben ihr. Eine Zigarette – war es Stars oder ihre eigene? – qualmte im Aschenbecher.
Es fühlte sich gut an, sehr gut, das Licht glomm zum Fenster herein, der Ofen atmete leise pfeifend, sonst Stille. Eine große Ruhe senkte sich über Pamela herab. Sie hätte ebensogut noch schlafen oder auf einem Badetuch an einem tropischen Touristenstrand liegen können, eingenickt über einem dicken Taschenbuch, das nun auf ihrer Brust ruhte. »Ich bin schwanger«, sagte sie. »Oder ich glaub’s jedenfalls. Hab’s Sess noch gar nicht erzählt.«
Sie sah an Star vorbei zum Fenster und hinaus auf die Hügel und dann wieder zurück, sah der Freundin in die Augen. »Tja, das
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