Grün war die Hoffnung
wollte nach nichts süchtig sein, höchstens nach Liebe und Güte. Pamelas Schachtel Marlboro lag auf dem Tisch. Star zog eine Zigarette heraus, zündete sie an und stieß den Rauch aus. »Tut mir leid«, sagte sie. »Es ist nur so, daß ich mir das nicht vorstellen kann – also für mich, ja? Ich meine, ich hab noch so viel vor ...« Aber das klang falsch – es war auch falsch. Sie versuchte sich wieder einzukriegen, weil Pamela – ihre Freundin, ihre Schwester – jetzt nicht mehr lachte. »Willst du einen Jungen oder ein Mädchen?« fragte sie endlich.
Pamela sprang sofort darauf an, alles war wieder paletti, sie freute sich, strahlte vor Glück. Sie wollte ein Mädchen, konnte sich gar nichts anderes vorstellen, aber als sie und Sess mal darüber gesprochen hatten – damals noch rein theoretisch –, da war ihm ein Junge lieber gewesen, was ja nur logisch schien. Er kehrte es nicht so hervor, aber er hätte gern eine neue Generation in Alaska gesehen, natürlich war ihm das wichtig, und einem Jungen würde er alles beibringen können, was er über das Land und den Respekt davor gelernt hatte. »Sess hätte gern einen Jungen«, sagte sie und nahm jetzt auch eine Zigarette aus der Packung. »Aber das hat mein Vater auch immer gesagt.«
»Und der hat zwei Mädchen gekriegt.«
»Genau.«
Und dann lachten sie doch wieder miteinander.
Sie rauchten ihre Zigaretten und hingen ein paar privaten Gedanken nach, tranken noch einen Kaffee, spielten eine zweite Partie Schach – die Star gewann – und dann das Entscheidungsmatch, das wieder an Pamela ging. Zusammen kochten sie Mittagessen, eine dicke Suppe mit Eiernudeln und gut abgelagertem Gemüse aus der Harderschen Speisekammer, und dann machten sie es sich am Ofen zum Lesen gemütlich. Obwohl sie es nicht besprochen hatten, waren sie irgendwann am vergangenen Abend telepathisch zu der Vereinbarung gekommen, daß Star bei Pamela bleiben würde, bis ihre Männer von der Fallenstrecke zurück wären. Star hatte abgewaschen und abgetrocknet – hatte darauf bestanden – und ließ Pamela am Fenster lesen, während sie die Sachen zurück in die Regale räumte. Dabei verspürte sie Stolz – sie kannte das Haus schon so gut wie ihr eigenes. Und die Pfannen blitzten, als sie fertig war.
Nach einer Weile wechselte sie vom Stuhl auf das Bett und legte sich ein Fell über die Beine. Sie fühlte, wie Nikotin und Koffein an den Innenwänden ihrer Blutgefäße dahinzischten, aber sie litt nicht an Nervosität oder dem Kaffeetatterich, sie war nur abgeklärt, ruhig und wachsam. Zum Lesen hatte sie Been Down So Long It Looks Like Up to Me von Richard Fariña mitgenommen, das irrwitzigste Buch momentan, heiß empfohlen von allen, die Ausgabe hatte überall Eselsohren und sah so mitgenommen aus, daß es ohne Frage das jämmerlichste Exemplar der Bibliothek von Drop City war. Es war nicht übel. Witzig und wild. Aber die Szene, die da beschrieben wurde – College, Drogen, ein Schlag ins Gesicht der Spießerwelt –, kam ihr inzwischen äußerst fremd vor. Oder fern, das war wohl ein besseres Wort. Es dauerte nicht lange, da war sie eingeschlafen.
Sie erwachte bei Lampenlicht, vom Duft nach Gebackenem. Pamela stand am Ofen, das hochgebundene Haar schimmerte im flackernden Puls des Lampendochts. Hinter den Fenstern war alles schwarz. Ein ferner Ruf ertönte dünn und körperlos aus den Hügeln herab und wurde von da und dort beantwortet. »Wie spät ist es?« fragte Star und stieß sich vom Kissen hoch. Es kam ihr vor, als hätte sie Ewigkeiten geschlafen.
»Noch recht früh. Viertel nach vier.«
»Daran gewöhn ich mich nie.«
Pamela nahm etwas aus dem Ofen – einen Kuchen auf einem runden Blech – und hielt kurz inne, das heiße Blech vor sich, der süße, alles durchdringende Duft erfüllte den Raum bis in die hintersten Ecken, um Star über die Schulter zu mustern. »Du gewöhnst dich dran«, sagte sie. »Glaub mir.«
Sie aßen Kuchen – es war ein süßer Biskuitkuchen, kaum ausgekühlt, mit Schoko-Karamel-Glasur –, als sie die winzige Veränderung im Tenor der Nacht wahrnahmen, ein kaum hörbares Klirren vom Metall eines Hundegeschirrs, ein Geräusch, als ob die Erde einmal ein- und wieder ausatmete, und dann sprangen sie vom Tisch auf und standen in der offenen Tür des Trampelkorridors, spähten auf den mondbeschienenen Vorplatz hinaus. Die Männer waren zurück – Marco und Sess –, mit ihrem geduldigen Hundegespann, das noch angeschirrt war, aber darauf
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