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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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er dem scheinbar sicheren Tod entronnen und wiederauferstanden ist. Er schwitzt, obwohl der Wind kalt ist, das T-Shirt unter dem Kapuzenshirt ist klatschnass. Auf dem rechten Handrücken hat er einen dunkelblauen Bluterguss. Seine Rippen schmerzen. Doch er steht auf, holt die Plastikwasserflasche hervor, drückt sich einen langen, zischenden Strahl von dem gefilterten Wasser in den Mund – Aqua vita aus dem Umkehrosmosetank, den er zu Hause installiert hat –, steckt die Flasche weg und setzt, während er mechanisch die Tabletten verstreut, seinen Weg auf dem Pfad fort. Er hat bereits entschieden, dass er niemandem, weder Anise noch Wilson oder Dr. Reiser, je erzählen wird, was geschehen ist. Oder beinahe geschehen wäre. Warum sollte er auch? Er kommt sich ohnehin wie ein Idiot vor, und während er sich dem Rhythmus – Greifen, Ausholen, Werfen – überlässt, denkt er unwillkürlich, dass er sich noch mehr wie ein Idiot gefühlt hätte, wenn er hätte gerettet werden müssen. Oder schlimmer noch: ein postumer Idiot, hingestreckt auf den Felsen mit zerschmettertem Schädel und verrenktem Körper, wie das Zwergmammut für alle Zeit ein Totem des Park Service: Erinnerst du dich an diesen Clown? Wie hieß er noch? Der versucht hat, Vitamintabletten zu verstreuen und dabei über die Klippe gegangen ist?
    Trotz des Sweatshirts zittert er, als er Wilson auf sich zukommen sieht. Der Himmel ist jetzt durchgehend dunkel, der Wind ist stärker und kälter geworden, die Büsche nicken in seinem Rhythmus, kleine Holzstückchen und Samen fliegen an Dave vorbei, getrieben von Böen, die von überall her zu kommen scheinen. Er fährt fort, die Mischung in die Luft zu werfen, auch wenn ihm langsam dämmert, dass der Abwurf nicht heute erfolgen wird. Keine über ihm schwebenden Hubschrauber, keine verblutenden Ratten, keine Behördenbüttel, denen man ausweichen oder entgegentreten müsste. Er denkt, dass er besser auf den Wetterbericht hätte achten und flexibler sein sollen – aber andererseits ist er ein Mensch, der einen Plan macht und sich dann daran hält, und das ist der Grund seines geschäftlichen Erfolges. Gib nie auf, streck nie die Waffen und vor allem: Gesteh nie ein, dass du im Unrecht bist. Wilson marschiert auf ihn zu, sein rechter Arm bewegt sich rhythmisch und wirft eine Handvoll nach der anderen über die Schulter. Er kommt näher und grinst. »Wie sieht’s aus?« ruft er, als sie noch ein paar Meter voneinander entfernt sind. »Hast du noch was übrig? Ich hab so gut wie alles verstreut.«
    Sie bleiben kurz stehen, den Rücken zum Wind gekehrt, und Wilson zieht eine Packung Zigaretten aus der Innentasche. »Scheißkalt, was?« sagt er. »Ich hab ja schon gehört, dass das Wetter hier draußen launisch sein kann, aber das hier« – er steckt sich eine Zigarette in den Mundwinkel, legt die Hand schützend darum und zündet sie an –, »das ist regelrecht brutal. Wusstest du, dass es so kalt werden würde? Ich meine, wer hätte das gedacht?«
    Das ist keine Klage, sondern eher ein Ausdruck der Solidarität wie unter Frontsoldaten. »Ja, scheißkalt«, ist alles, was Dave dazu sagen kann, auch wenn er die gute Absicht zu würdigen weiß. Der Schock seines Sturzes vergeht, bestimmt wird er ihn nicht erwähnen, weder jetzt noch sonst irgendwann. Es ist wie damals auf der High School, als er Football gespielt hat: Wenn dich einer rammt, stehst du einfach auf und machst ein paar Schritte, bis der Schmerz vergangen ist. Er sieht das Gesicht des Trainers vor sich, eine freudlose, egopralle, abgewrackte Kloake von einem Gesicht über einem grauen Sweatshirt und einer silbrig blitzenden Trillerpfeife an einem roten Band. Geh herum, bis du es nicht mehr spürst. Das hat er immer gesagt, selbst wenn man sich die Schulter ausgekugelt oder das Knie verrenkt hatte.
    Wilson sieht unter dem tief in die Stirn gezogenen Schirm der Baseballmütze zum Himmel und sagt: »Ich weiß nicht – ich hab das Gefühl, gleich fängt es an zu regnen.«
    »Ja. Ich auch. Aber wenigstens können diese Scheißer dann nicht fliegen. Jedenfalls heute nicht.«
    »Ich hab mich gefragt«, sagt Wilson und kratzt mit der Schuhspitze in der Erde, während der Wind ihm den Rauch der Zigarette von den Fingern reißt und er die Augen zusammenkneifen muss, »was eigentlich passiert, wenn es regnet. Was passiert dann mit diesem Zeug? Wenn es richtig regnet. Ich meine, wenn es regnet wie aus Eimern, wie im Monsun, denn das ist jetzt die Jahreszeit

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