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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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dünne Blöken der Lämmer zu hören.
    »Aber davon leben wir«, sagte sie. »Das ist unser Zuwachs.«
    Und als wäre es nicht schon schlimm genug, wandte sich Bax an sie. »Du hältst dich da raus«, sagte er.
    Der Mann sah durch sie hindurch, als wäre sie nicht vorhanden, und richtete den Blick auf Bax.
    »Was ist mit unserem Vertrag?« sagte Bax. »Den können Sie nicht einfach brechen. Wir könnten Sie verklagen. Ganz leicht.«
    »Kein Besuch«, sagte der Mann.
    »Was? Wovon reden Sie?«
    »Von Ihrem Vertrag. Darin steht unmissverständlich, dass Sie ohne ausdrückliche Genehmigung der Besitzer keinen Besuch haben dürfen.«
    Bax machte ein paar trippelnde Tanzschritte im Käfig seiner Krücken. Alle Hoffnung, die er je gehabt hatte, starb im Matsch zu seinen Füßen. »Besuch? Wir haben hier nie irgendeinen Besuch gehabt.«
    Der Agent hatte sich bereits umgedreht und stapfte zurück zum Hubschrauber, wo der Pilot – ein Paar Arme und Beine, zwei Augen und ein Gesicht, so nichtssagend wie das Telefonbuch von Los Angeles – stand und aussah, als wäre er bereits wieder fort und entschwebte in seiner Donnermaschine über ihren Köpfen. Wiedersehen, bis dann – ich hab mit dem ganzen Kram überhaupt nichts zu tun.
    »Mr. Hazeltine?« Bax stapfte ihm nach, und in seiner Stimme war ein bittender, demütiger Ton, den sie ihm nie zugetraut hätte, etwas Flehendes, Beschwörendes. Was tat er denn? Wozu dieses Betteln? Er hätte brüllen sollen, er hätte die Krücken von sich schleudern und diesen kleinen Paragraphenscheißer packen sollen wie einen Putzlumpen. »Mr. Hazeltine, wir haben nie –«
    Doch der Agent war gedeckt durch Anwälte und Papiere, unerreichbar für Vertragsbrüchige, und er drehte sich einfach zu ihnen um und wies mit einer langsamen, ausholenden Geste auf Anise. Rita fand keine Worte in ihrem Kopf – sie waren einfach davongespült worden, und Bax ging es nicht anders –, und so dauerte es einen Augenblick, bis sie etwas sagen oder vielmehr blöken konnte, denn das tat sie, sie blökte: »Aber das ist meine Tochter.«
    Der Mann stand an der Tür des Hubschraubers, der Pilot saß schon auf seinem Sitz. »Genau«, sagte er und sah über die Schulter zurück. » Quod erat demonstrandum . Fall abgeschlossen.« Er setzte sich auf den anderen Sitz in der gläsernen Kuppel, wobei er die Beine sorgsam zur Tür hinausstreckte, die Schuhe – Pferdeleder, rotbraun, mit schwarzen Gummiabsätzen – auszog und unbeholfen an die Karosserie schlug. Sie standen da und sahen ihm schweigend zu, als vollzöge er ein heiliges Ritual: ein kleiner Mann, der an einem grauen Tag auf einer Insel mitten im Meer den Matsch von seinen Schuhen klopfte. Die großen Rotorblätter begannen sich zu drehen, und sie wichen vor dem Aufbrausen des Luftzugs und dem plötzlichen Lärm zurück. »Zwei Wochen«, rief der Mann in das Donnern, und dann schloss er die Tür, und alles, was sie kannten und wollten und sich erhofften, entschwebte gen Himmel.

SUS SCROFA

    Aus Träumen voller Erschöpfung – ihr Traum-Ich ist so erledigt, dass es gar nicht mehr denken kann, die Beine sind wie aus Stein, die Arme bleischwer, die Hände so schwach, dass es kaum die Decke zurückschlagen und ins Bett kriechen kann – erwacht Alma im ersten zaghaften Schimmern des Morgenlichts. Es liegt bebend auf der Zimmerdecke über ihr, noch nicht ganz bereit, sich zu verdichten, und die Bäume vor dem offenen Fenster sind noch dunkel, hager und steifbeinig. Vom Meer ertönt das sanfte, unaufhörliche Rauschen der Brandung, das nicht zu unterscheiden ist vom Rauschen der Schnellstraße jenseits der Schlafzimmerwand und nur vom fernen, einsamen Schrei eines über den Wellen schwebenden Vogels unterbrochen wird. Sie liegt da und findet sich langsam zurecht, begleitet von einem beharrlichen Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung ist, bis sie sich ganz allmählich des starken, durchdringenden Aromas bewusst wird, das sich durch den Flur ausgebreitet hat und nun die Treppe hinauf und durch die Ritze unter der Tür kriecht, um sie zurück in ihre Kindheit zu zerren: Speck brät in der Pfanne und gibt seine Salze und Nitrate und die schwere Last tierischen Fetts frei.
    Sie braucht einen Augenblick, um zu begreifen: Dies ist ihre Kindheit. So unwahrscheinlich es auch sein mag, zumal in einem vegetarischen Haushalt, macht sich um – sie blinzelt in Richtung Digitalwecker – halb sieben Uhr morgens in der Küche eine mütterliche Gestalt zu schaffen, prüft

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