Grün wie die Hoffnung: Roman (German Edition)
essen, und er ließ mir die Wahl. Ich konnte entweder wieder dorthin zurückgehen, woher ich gekommen war, oder für ihn arbeiten. Ich entschied mich für den Job, wobei ich allerdings nicht wusste, dass das Schule bedeutete. Er gab mir Kleidung, Bildung und Selbstachtung.«
»Hat er dir gesagt, was er war?«
»Damals noch nicht. Allerdings hat er nicht allzu lange damit gewartet. Ich dachte, er hätte nicht alle Tassen im Schrank, aber es war mir egal. Als ich merkte, dass er mir die Wahrheit gesagt hatte, war ich schon so weit, dass ich alles für ihn getan hätte. Der Mann, der ich geworden wäre, starb an jenem Abend auf der Straße«, sagte King leise. »Er hat mich nicht verwandelt, aber er hat mich verändert.«
»Warum? Hast du ihn jemals nach dem Warum gefragt?«
»Ja. Aber das muss er dir erzählen.«
Sie nickte. Die Geschichte gab ihr auch so schon genügend Stoff zum Nachdenken.
»Die Pause ist jetzt vorbei«, verkündete er. »Wir können eine Stunde lang trainieren, damit du ein paar Muskeln bekommst.«
Sie grinste. »Wir könnten auch Bogenschießen üben und deine schlechte Technik verbessern.«
»Na, komm, du kleiner Schlaumeier.« Stirnrunzelnd blickte er zur Tür. »Hast du auch etwas gehört?«
»Wie ein Klopfen?« Sie zuckte mit den Schultern und räumte erst noch die Bücher weg, bevor sie hinter ihm das Zimmer verließ.
Glenna lief die Treppe hinunter. Da ihre Arbeit nur langsam fortschritt, schadete es nichts, wenn sie Hoyt jetzt erst einmal sich selber überließ. Jemand musste sich schließlich um das Abendessen kümmern, und heute Abend war die Wahl auf sie gefallen. Sie würde eine Marinade für die Hühnerbrüstchen anrühren, und dann konnte sie noch für eine Stunde nach oben gehen.
Sie würde rasch an der Bibliothek vorbeigehen und Moira von ihren Büchern wegholen. Es mochte ja sexistisch sein, die einzige weitere Frau zur Küchenarbeit zu holen, aber irgendwo musste sie ja schließlich anfangen.
Als es an der Tür klopfte, zuckte sie zusammen und fuhr sich nervös mit der Hand durch die Haare.
Beinahe hätte sie nach Larkin oder King gerufen, aber dann schüttelte sie entschlossen den Kopf. Wie wollte sie denn in einem ernsthaften Kampf bestehen, wenn sie an einem verregneten Nachmittag noch nicht einmal die Tür alleine öffnen konnte?
Es konnte ja auch ein Nachbar sein, der ihnen einen Höflichkeitsbesuch abstatten wollte. Oder Cians Verwalter, der sich vergewissern wollte, ob sie alles hätten, was sie bräuchten.
Und ein Vampir konnte nur ins Haus eindringen, wenn sie ihn über die Schwelle ließ.
Das jedoch war äußerst unwahrscheinlich. Trotzdem warf sie zuerst einen Blick aus dem Fenster. Sie sah eine junge Frau von ungefähr zwanzig Jahren – eine hübsche Blondine in Jeans und einem hellroten Pullover. Die Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der hinten aus ihrer roten Kappe herausschaute. Sie hielt eine Karte in der Hand, auf die sie ein wenig ratlos blickte.
Sie hat sich verfahren, dachte Glenna, und das Beste wäre, ihr so schnell wie möglich Auskunft zu geben, damit sie sich nicht zu lange vor dem Haus aufhielt.
»Hallo? Brauchen Sie Hilfe?«
»Hallo. Danke, ja.« Die Frau klang erleichtert. Sie hatte einen starken französischen Akzent. »Ich habe mich, äh, verirrt. Excusez-moi, mein Englisch ist nicht so gut.«
»Das ist schon in Ordnung. Ich spreche so gut wie kein Französisch. Was kann ich für Sie tun?«
»Ennis? S’il vous plaît? Können Sie mir sagen die Straße nach Ennis?«
»Ich bin mir nicht sicher, ich bin selbst nicht von hier. Aber ich kann ja mal einen Blick auf die Karte werfen.« Glenna blickte der Frau in die Augen, als sie die Hand nach der Straßenkarte ausstreckte. »Ich bin Glenna. Je suis Glenna.«
» Ah oui. Je m’appelle Lora. Ich bin Studentin und mache hier Ferien.«
»Wie schön.«
»Der Regen.« Lora streckte die Hand aus, sodass die Tropfen hineinfielen. »Ich glaube, deswegen habe ich mich verfahren.«
»Das hätte jedem passieren können. Dann lassen Sie uns doch mal auf die Karte sehen, Lora. Sind Sie alleine unterwegs?«
» Pardon?«
»Alleine? Sind Sie alleine?«
» Oui. Mes amies - meine Freundinnen – ich habe Freundinnen in Ennis, aber ich bin schlecht abgebogen. Falsch?«
Oh nein, dachte Glenna. Das glaube ich dir nicht. »Es überrascht mich, dass Sie das Haus von der Hauptstraße aus gesehen haben. Es liegt so abseits.«
»Entschuldigung?«
Glenna lächelte
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