Grün wie die Hoffnung: Roman (German Edition)
»Ach ja? Wer hat denn gewonnen?«
»Ich glaube, keiner von beiden. Ich sah sie zurückkommen, und wie sie aussahen, war es wohl ein Patt.«
»Woher weißt du denn, dass sie sich geprügelt haben? Vielleicht sind sie ja angegriffen worden.«
»Nein.« Sie fuhr mit dem Finger über die gedruckten Wörter. »Ich höre Dinge.«
»Dann hast du große Ohren, Kleine.«
»Das hat meine Mutter auch immer gesagt. Sie haben Frieden geschlossen – Hoyt und sein Bruder.«
»Damit haben wir ein Problem weniger – wenn es anhält.« So unterschiedlich, wie die beiden waren, schätzte King die Dauer des Waffenstillstands auf die Lebensspanne einer Eintagsfliege. »Was hoffst du eigentlich in all diesen Büchern zu finden?«
»Alles. Früher oder später. Weißt du, wie der erste Vampir zustande kam? Die Geschichte wird in unterschiedlichen Versionen erzählt.«
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht.«
»Ich schon. Eine Version klingt wie eine Liebesgeschichte. Vor langer Zeit, als die Welt noch jung war, starben die Dämonen aus. Vorher, lange vorher, hatten ganze Scharen die Welt bevölkert. Aber die Menschen wurden immer stärker und klüger, und die Zeit der Dämonen neigte sich dem Ende zu.«
King liebte Geschichten. Er lehnte sich bequem zurück. »So eine Art Evolution.«
»Ein Wandel, ja. Viele Dämonen gingen in die Unterwelt, um sich zu verstecken oder zu schlafen. Damals gab es viel mehr Magie, weil sich die Menschen nicht davon abwandten. Die Menschen und die Feen verbündeten sich, um die Dämonen ein für alle Mal zu vertreiben. Einer wurde vergiftet, und er starb langsam. Er liebte eine sterbliche Frau, und das war selbst in der Welt der Dämonen verboten.«
»Also sind nicht nur die Menschen bigott. Erzähl weiter«, bat er, als Moira schwieg.
»Der sterbende Dämon holte also die sterbliche Frau aus ihrem Haus. Er war besessen von ihr, und es war sein letzter Wunsch, sich mit ihr zu vereinigen, bevor er starb.«
»Das Übliche also.«
»Vielleicht sehnen sich ja alle Lebewesen nach Liebe und Lust. Und dieser physische Akt verkörpert das Leben.«
»Und Kerle wollen es loswerden.«
Sie verlor den Faden. »Was loswerden?«
King verschluckte sich beinahe an seinem Kaffee. Lachend winkte er ab. »Hör nicht auf mich. Erzähl weiter.«
»Ah … Ja, er ging mit ihr tief in den Wald und vergnügte sich mit ihr, und da sie unter seinem Zauber stand, wollte sie mit ihm zusammen sein. Um sein Leben zu retten, bot sie ihm ihr Blut an. Sie tranken jeder das Blut des anderen, da dies auch eine Form der Vereinigung war. Sie starb mit ihm, aber sie hörte nicht auf zu existieren und wurde zu dem Wesen, das wir als Vampir bezeichnen.«
»Ein Dämon aus Liebe.«
»Ja, so in etwa. Um Rache an den Menschen zu nehmen, jagte sie sie, trank ihr Blut und verwandelte sie, um mehr Vampire zu erschaffen. Aber sie trauerte immer noch um ihren Dämonengeliebten, und so brachte sie sich mit Sonnenlicht um.«
»Na ja, nach Romeo und Julia hört es sich nicht gerade an, oder?«
»Das ist ein Theaterstück, nicht wahr? Ich habe das Buch hier im Regal gesehen, aber ich bin noch nicht dazu gekommen, es zu lesen.« Es würde Jahre dauern, bis sie hier in dieser Bibliothek alle Bücher gelesen hätte, dachte sie.
»Aber ich habe noch eine andere Vampirgeschichte gelesen. Sie handelt von einem Dämon, der durch einen bösen Zauber krank und wahnsinnig wurde und ständig Menschenblut trinken wollte. Je mehr er jedoch trank, desto irrer wurde er. Er starb, nachdem er sein Blut mit einem Sterblichen vermischt hatte, und der Sterbliche wurde ein Vampir. Der Erste seiner Art.«
»Die erste Version gefällt dir vermutlich besser.«
»Nein, am besten gefällt mir die Wahrheit, und ich halte eher die zweite Geschichte für wahr. Welche sterbliche Frau würde sich in einen Dämon verlieben?«
»Du führst ein sehr behütetes Leben in deiner Welt, was? Wo ich herkomme, verlieben sich die Menschen ständig in Monster. In der Liebe gibt es keine Logik, Kleine. Liebe ist einfach.«
Mit einer energischen Kopfbewegung warf sie ihren Zopf nach hinten. »Nun, ich werde nicht so dumm sein, wenn ich mich verliebe.«
»Hoffentlich erlebe ich das noch.«
Sie klappte das Buch zu und zog die Beine an. »Liebst du jemanden?«
»Eine Frau? Ein paar Mal war ich kurz davor, aber ich habe nie ins Schwarze getroffen.«
»Wie meinst du das?«
»Wenn du mitten ins Schwarze triffst, Kleine, dann hat es dich erwischt. Aber wenn nicht, dann macht
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