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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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bezauberndes Geschöpf«, murmelte Viktoria maliziös und warf Guntram, bevor sie sich in die Küche zurückzog, einen sprechenden Blick zu, er werde sich in Zukunft noch auf manche Überraschung gefaßt machen müssen.
    Manuela reichte ihm seinen Hut und die leichten Fahrhandschuhe: »Ich hätte gern gehört, worüber du dich mit Vicky unterhalten hast.«
    »Über die Schwindeleien einer gewissen jungen Dame. Es ging hauptsächlich um die drei oder vier Jahre, die du ihr unterschlagen hast. Wozu eigentlich?«
    »Oh, ich hätte es Vicky schon tropfenweise beigebracht, aber weißt du, Vicky hat ihre Erfahrungen. Mein Vater war nämlich fünfundzwanzig Jahre älter als sie. Es war eine sehr glückliche Ehe. Aber Vicky meint, so etwas wäre doch eine Ausnahme. Und ich wollte sie nicht erschrecken, bevor sie dich kennenlernte.«
    »Oh, ich verstehe.«
    »Nein, du verstehst es nicht. Es ging um Vicky, nicht um mich! Ich liebe dich!«
    Er zog sie in seine Arme und küßte sie zärtlich: »Mein bezauberndes Mädchen«, sagte er und streichelte ihre Wange, »die Tage in Frankfurt werden mir sehr lang werden ohne dich.«
    »Nicht länger als mir.«
    Sie beugte sich über das Treppengeländer und winkte ihm nach, solange sie ihn verfolgen konnte. Dann kam sie in die kleine Diele zurück, schloß die Wohnungstür und betrachtete im Garderobenspiegel ihren Mund.
    »Nun?« fragte Viktoria, die sich inzwischen eine Küchenschürze umgebunden hatte.
    »Es war der erste Kuß«, sagte Manuela sinnend, »ich habe ihn mir eigentlich ein wenig lebhafter vorgestellt.«
    »Du bist wirklich eine Katastrophe«, seufzte Viktoria.
    »Was sagst du zu Bert, Vicky?«
    »Ich finde diese Frage ziemlich überflüssig, mein Kind. Man kann einen Mann doch nicht nach dem Eindruck einer viertelstündigen Unterhaltung beurteilen.«
    »Du solltest ihn ja auch nicht als Mann, sondern als eventuellen Schwiegersohn betrachten«, meinte Manuela spitz.
    »Wenn du weiter so unverschämt bist, mein Herzchen«, sagte Viktoria drohend, »dann kriege ich es fertig und nehme dir deine neue Puppe weg und spiele selber damit. Hast du mich verstanden?«
    Manuela starrte ihre Mutter verblüfft an.
    »Untersteh dich«, sagte sie schließlich und brach in ein Gelächter aus, das jedoch nicht ganz frei klang, »aber weiß der Kuckuck, wenn ich dich so ansehe, könnte ich fast Angst bekommen. Als Mutter einer erwachsenen Tochter bist du eigentlich viel zu knusprig.« Sie sah Viktoria prüfend an, ihr Blick glitt vom Kopf bis zu den kleinen Füßen, und ihre Augen sahen wie die Augen einer Fremden aus.
    »Beruhige dich, mein Lämmchen«, rief Viktoria reuevoll und zog Manuela heftig an ihr Herz — und zwei Tränen liefen ihr dabei über die Wangen, »es war ein dummer Scherz von mir! Wirklich ein ganz dummer und abscheulicher Scherz!«

9

    Guntram blieb drei Tage in Frankfurt. In diesen drei Tagen erschien jeden Morgen um zehn der Bote einer Blumenhandlung, um zwei Gebinde abzugeben, eines für Manuela und eines für Viktoria, ein paar Fliederzweige, ein paar Freesien, ein paar Teerosen, nicht allzu üppig und nicht allzu aufwendig, liebenswürdige Aufmerksamkeiten.
    »Was sagst du dazu, Vicky? Ist Bert nicht fabelhaft? Ich habe immer davon geträumt, einmal so verwöhnt zu werden.« Manuela steckte die Nase in die Blüten und atmete verzückt den zarten Vanilleduft der Freesien ein, deren satt leuchtendes Orange im Kelch in bronzene und messingfarbene Töne überging.
    »Schnapp mir nur nicht über, mein Kind«, sagte Viktoria warnend. Sie beobachtete Manuela seit drei Tagen wie ein Psychiater, der an. einem bis dahin völlig normalen Mitglied seiner Familie die ersten Anzeichen eines leichten Irrsinns entdeckt. Auf dem Lesetischchen neben Manuelas Bett lagen jetzt statt der Romane von Pearl S. Buck und Graham Greene zwei dicke Wälzer über Architektur, eine Monographie über Le Corbusier, eine illustrierte Geschichte der Baukunst vom Altertum bis in die Gegenwart, eine Stilkunde und ein ganzer Stapel von Heften und Zeitschriften über moderne Innenarchitektur.
    Um acht Uhr abends rief Guntram zumeist an. Manuela entführte den Apparat bereits um sieben in ihr Zimmer. Mit Gregor lag sie sich deswegen dauernd in den Haaren. Ihre Gespräche mit Guntram dauerten oft über eine halbe Stunde.
    »Du wirst Herrn Guntram ruinieren.«
    »Denk dir, Vicky«, sagte sie empört, »Bert soll für eine Arzneimittelfabrik in Hoechst ein Bürohaus bauen. Dazu muß das Baugelände

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