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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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laufen, aber sie blieb plötzlich stehen und schaute erschreckt an sich herab, als spüre sie am rechten Bein eine emporkrabbelnde Maus. Es war keine Maus, sondern eine Laufmasche. Sie schrie auf und rannte in ihr Zimmer, um die Strümpfe zu wechseln. Viktoria ging zur Tür, um Guntram zu öffnen. Er erschien in einem dunkelblauen Anzug mit schwarzer Strickkrawatte und schwarzen Krokoschuhen. Er brachte Viktoria ein Sträußchen zartblauer Puschkinien mit. Sie trug ein resedengrünes enges Kleid, das so fabelhaft zu ihrem kupfernen Haar paßte, daß Guntram das Kompliment, das ihm auf der Zunge lag, im letzten Moment verschluckte.
    »Ein paar Puschkinien, gnädige Frau.«
    »Reizend, Herr Guntram, aber...«
    »Es sind sozusagen Probeexemplare für einen Steingarten.«
    »Es ist das letztemal, daß ich Ihnen die Blumen und den Schwindel abnehme, Herr Guntram! Kommen Sie und gedulden Sie sich noch eine Minute, Manuela wird sofort erscheinen.«
    Sie führte ihn ins Wohnzimmer, wo Gregor sich aus einem Sessel emporräkelte. Viktoria hüstelte scharf, aber Gregor schien den Warnlaut nicht zu bemerken oder auf sich zu beziehen.
    »Das ist mein Sohn Gregor, Herr Guntram.«
    »Ah, Gregor, freut mich, Sie kennenzulernen. Manuela erzählte mir, daß Sie vor dem Abitur stehen«, er schüttelte - Gregors Hand, ohne im Druck mehr als eine höfliche Erwiderung zu finden. »Es wird heute ziemlich viel von Ihnen verlangt, wie? Ich fürchte jedenfalls, ich würde mit Pauken und Trompeten durchrasseln, wenn ich es noch einmal schaffen müßte. Na, jedenfalls wünsche ich Ihnen zum Examen Hals- und Beinbruch.« Sein Blick fiel auf die winzige Kamera, die an einer Kette von Gregors Handgelenk herabbaumelte: »Arbeiten Sie mit dem Ding?«
    »Nee, ich habe sie nur mal ausprobiert.«
    »Ich habe sie immer im Handschuhfach«, sagte Guntram, »als Notizbuch sozusagen. Sie hat mir bei kleinen Karambolagen schon gute Dienste geleistet.«
    »Merk dir den Tip, Vicky«, sagte Gregor und schien langsam aus dem Winterschlaf zu erwachen, »unter diesem Gesichtspunkt müßte sich der Apparat eigentlich gut verkaufen lassen. Notizbuch... das ist nicht schlecht.«
    »Ich hole nun Manuela, Herr Guntram«, sagte Viktoria und warf Gregor einen mahnenden Blick zu, den Gast zu unterhalten und sich manierlich aufzuführen.
    »Flotter Wagen, den Sie haben, Herr Guntram. Was schafft der Schlitten in der Spitze?«
    »Hundertneunzig, aber ehrlich gesagt, ich hab's noch nie darauf ankommen lassen. Bei hundertsechzig kitzelt es bei mir im Magen.«
    Gregor nickte sachverständig. Er kannte dieses Gefühl. Fast hätte er Guntram auf die Schulter geklopft. Angeber konnte er auf den Tod nicht leiden.
    »Sagen Sie einmal, Gregor«, flüsterte Guntram und zog den Jungen vertraulich am Ärmel näher zu sich heran, »wo kann man hier oder in der Umgebung einer jungen Dame etwas Besonderes bieten? Ich möchte Ihre Schwester nett ausführen, aber nicht gerade zu Rippchen auf Sauerkraut...«
    »Also mehr auf die flotte Tour?«
    »So ungefähr«, nickte Guntram und unterdrückte seine Heiterkeit.
    »Da kommt eigentlich nur Kissingen in Frage«, meinte Gregor nach kurzem Besinnen, »in der Saison ist da allerhand los. Ich selber kenne den Betrieb nicht, aber Vicky hat uns davon erzählt.«
    »Danke, Gregor, ich werde mir den Tip merken«, sagte Guntram und zwinkerte Gregor wie einem alten Verbündeten zu.
    »Bert!«
    Er drehte sich um, an den neuen Vornamen schien er sich noch nicht ganz gewöhnt zu haben. Wahrscheinlich war es Gregors Anwesenheit, die Manuela davon abhielt, sich in Guntrams Arme zu stürzen. Gregor hielt den Zeitpunkt für gekommen, diskret zu verschwinden.
    »Oh, Manuela, du bist noch hübscher, als ich dich in Erinnerung hatte«, sagte er zärtlich.
    »Machen Sie das Mädchen nicht noch eitler, als es ohnehin schon ist«, bat Viktoria verzagt.
    »Von mir aus kann es losgehen«, rief Manuela munter und hängte sich in Guntrams Arm ein, »also Vicky, ciao!« Sie winkte ihrer Mutter zu, während Guntram sich über Viktorias Hand beugte. Auch Gregor erschien, um sich von Guntram zu verabschieden. Er schloß die Tür hinter ihm und ging
    zum Wohnzimmerfenster, um durch den Store auf die Straße hinunterzuspähen. Viktoria ließ sich in einen Sessel fallen, ihre Arme hingen wie gebrochene Flügel über die Lehnen herab.
    »Der Wagen ist große Klasse, und der Mann ist durchaus nicht übel«, stellte Gregor fest.
    »Es beglückt mich ungemein, zu hören, daß Herr

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