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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Fingerbewegung nach.
    »Unterhaltet euch ein Weilchen allein«, rief sie ihnen nach, »ich will die Blumen in Vasen stellen und mit Wasser versorgen«, und sie verschwand in der Küche.
    Guntram biß sich auf die Lippe, es sah aus, als unterdrücke er ein Lachen. Ober Viktorias Gesicht flog eine verlegene Röte, sie bot Guntram einen Sessel an, aber er blieb neben dem Sessel stehen und sah sich um.
    »Entschuldigen Sie den Architektenblick, gnädige Frau, es ist eine üble Angewohnheit von mir. Aber Sie haben es hier hübsch, wirklich hübsch!« Es klang durchaus ehrlich. Sein Blick glitt über die bequemen, aber nicht gerade modernen Polstermöbel, über die Bilder an den Wänden, drei Landschaften eines fränkischen Malers, und hielt schließlich auf der prachtvollen Aussicht, die ihm das breite Fenster und die offene Balkontür boten.
    »Ein bezauberndes Bild«, stellte er fest und trat einen Schritt näher zur Tür, »wenn Sie mir jetzt noch sagen, daß Sie mit Ihren Nachbarn zufrieden sind, dann muß ich mein Vorurteil gegen Eigentumswohnungen korrigieren. Diese Lage ist einfach unvergleichlich.«
    »Ich habe ein gutes Rezept für den Verkehr mit den Mitbewohnern dieses Hauses, ich grüße sie liebenswürdig und kümmere mich um niemanden.«
    »Ausgezeichnet«, sagte er und ging zu seinem Sessel zurück, »hoffentlich halten sich auch die Nachbarn an dieses Rezept.«
    Viktoria bot ihm Zigaretten an, aber er dankte, doch gegen einen Schluck Vermouth hatte er nichts einzuwenden. Er hob das Glas und trank Viktoria zu, sie nippte an ihrem Glas, als müsse sie sich die spröden Lippen befeuchten. Je länger sie Guntram beobachtete, um so weniger konnte sie sich vorstellen, daß Manuela ihm mehr bedeuten könnte als ein flüchtiges Erlebnis, reizend mitzunehmen, aber ohne jede tiefere Beziehung.
    »Ich weiß nicht, was Manuela Ihnen erzählt hat, gnädige Frau«, sagte er ein wenig befangen, denn es schien ihm nicht entgangen zu sein, daß sie sich über ihn ihre eigenen Gedanken machte. Und welcher Art diese Gedanken sein mochten, war nicht allzu schwer zu erraten.
    »Nur ein paar Stichworte, Herr Guntram«, murmelte Viktoria und drehte ihr Stielglas zwischen den Fingern, »wir hatten heute auch noch nicht viel Zeit, miteinander zu sprechen.« Sie vermied Guntrams Blick und schien von Minute zu Minute nervöser zu werden, denn sie spürte, daß er sie mit einiger Bewunderung betrachtete, und dazu war er ja schließlich nicht gekommen.
    »Hat Ihnen Manuela auch erzählt, daß ich dreiundvierzig Jahre alt bin?«
    Viktoria hob die kräftigen, dunklen Augenbrauen: »Ja, gewiß«, antwortete sie ein wenig zögernd.
    Er brach in ein kleines Gelächter aus: »Sie hat Ihnen also etwas vorgeschwindelt«, stellte er fest. »Sagen Sie mir ehrlich: wie viele Jahre hat sie abgezogen?«
    »Drei oder vier«, antwortete Viktoria mit einem schwachen Versuch, heiter zu erscheinen.
    »Und Sie finden den Altersunterschied erschreckend, nicht wahr?«
    »Ein wenig«, gab sie zu.
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung, gnädige Frau«, sagte er sehr ernst, »und ich habe mir wahrhaftig Mühe genug gegeben, das auch Manuela klarzumachen. Aber leider stellte sie sich taub.«
    Viktoria hatte das Gefühl, er sei gekommen, um ihr zu sagen, sie möge Manuela schonend darauf vorbereiten, daß er leider mit einem Regierungsauftrag nach Samarkand reisen müsse, um dort Kamele für die Kavallerie zu kaufen. Und sie war bereit, diese nicht gerade angenehme Aufgabe zu übernehmen.
    »Sie haben Manuela schließlich erst gestern kennengelernt«, sagte sie, um ihm den Absprung zu erleichtern.
    Er warf einen Blick auf seine Uhr: »Das sage ich mir seit etwa zehn Stunden, gnädige Frau. Ich habe nämlich in dieser Nacht recht wenig geschlafen. Finden Sie das für einen Mann meines Alters sehr komisch?«
    Mit der Reise nach Samarkand schien es also nichts zu sein. Viktoria sah Guntram mit einem langen Blick an, aber sie verzichtete auf eine Antwort.
    »Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich Ihnen jetzt wahrscheinlich gestehen, daß ich Manuela liebe, und ich würde Sie bitten, mir Ihre Tochter zur Frau zu geben.« Er griff nun doch zu einer Zigarette, aber er zündete sie nicht an, sondern legte sie in den kleinen Kasten aus poliertem Thujaholz zurück. »Finden Sie es nicht auch merkwürdig, daß man in der Jugend so schrecklich ungeduldig ist, wo man doch so viel Zeit vor sich hat?«
    Viktoria wartete ein wenig ängstlich auf die Fortsetzung, denn seine

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