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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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damals?« fragte sie. Die Erwähnung seiner ersten Flamme schien einen Stachel in ihr Herz gepiekt zu haben.
    »Noch nicht sechs, denn ich ging noch nicht zur Schule.«
    »Ach so«, sagte sie erleichtert. »Du mußt mir mehr von dir erzählen. Ich möchte alles von dir wissen. Von dir und von deinen Eltern, von deinen Geschwistern und von deinen Freunden. Und natürlich auch von deinen Freundinnen. Du kannst mir alles anvertrauen. Ich bin wirklich nicht eifersüchtig.«
    »Das weiß ich«, murmelte er und streichelte ihre Hand.
    Er brauchte kaum noch Gas zu geben, der Wagen lief von allein die langen Serpentinen hinunter, vor ihnen öffnete sich die Landschaft, und im Tal lagen die Lichterketten der Badestadt. Ein Verkehrspolizist empfahl Guntram ein Restaurant in der Nähe des Kurtheaters. Er fand vor dem Lokal einen Parkplatz und führte Manuela am Arm über das für ihre streichholzdünnen Absätze nicht gerade geeignete Pflaster über die Straße. Sie verstrickte ihre Finger in seine, und Guntram verspürte ein Glücksgefühl, das ihn von ihren Fingerspitzen durchströmte und bis ins Herz hinein erwärmte. Er gestand sich ein, verliebt wie ein Primaner zu sein, und er kam sich ein wenig lächerlich vor, aber sein Stolz, von diesem bezaubernden Mädchen geliebt zu werden, drängte alle anderen Gedanken zurück.
    Das empfohlene Restaurant war so besetzt, daß sie nur mit Mühe zwei freie Plätze an einem Tisch fanden, an dem bereits ein Ehepaar vorgerückten Alters saß. Sie trug die Kollektion eines ganzen Juwelierladens über Ohren, Hals, Brust, Arme und Hände verteilt, ein klimpernder und blitzender Fleischberg. Er war auch nicht zum reinen Vergnügen im Bad, aber er sündigte im Vertrauen auf den Rakoczy munter weiter, nur sein Gebiß schien ihm bei der Bewältigung des Zigeunerspießes Schwierigkeiten zu machen. Seine ein wenig Basedowschen Augen traten beim Anblick Manuelas noch weiter heraus, und er traf Anstalten zu einer Unterhaltung, aber ein heimlicher Fußtritt der Gattin veranlaßte ihn rasch, sich wieder über seinen Teller zu beugen.
    Guntram wäre am liebsten gegangen, aber die Hoffnung, den Tisch bald allein zu haben, hielt ihn zurück. Es dauerte eine geraume Zeit, bis der überlastete Kellner am Tisch erschien. Fraglos ein Aushilfskellner, für den Samstag engagiert, denn weder Frack noch Auftreten entsprachen der Exklusivität und den Preisen des Lokals. Er schien eine Karte für zwei Personen für völlig ausreichend zu halten und schien es auch als Belästigung zu empfinden, als Guntram ihn fragte, ob er besondere Spezialitäten des Hauses empfehlen könne. Es waren Kalbsmedaillons auf Straßburger Art...
    »Mir wäre etwas Geflügel lieber«, sagte Manuela.
    »Dann würde ich dem Fräulein Tochter Huhn chinesisch mit Mandeln empfehlen«, sagte der Kellner und nahm Guntram die Karte ab, um sie sich unter den Arm zu klemmen.
    Wenn dieser Tölpel ihm eine Suppenterrine über den Kopf geschüttet hätte, er hätte damit keine stärkere Wirkung erzielt. Manuela brauchte Sekunden, um zu begreifen, was der Kellner gesagt und was er damit angerichtet hatte. Sie bemerkte zuerst, daß der Brillantberg seinen Mann mit dem Knie anstieß und das Gesicht hinter der Serviette versteckte. Die Ohrringe klirrten unter einem verhaltenen Prusten.
    »Laß uns gehen, Bert«, sagte sie und erhob sich rasch, »es ist mir hier zu voll. Wir finden gewiß ein Restaurant, in dem man gemütlicher sitzt.« Und sie ging, ehe er dazu kam, etwas zu erwidern, bereits zum Ausgang.
    »Dieser Idiot«, zischte Manuela wütend, als die beiden auf der Straße standen, »man hätte ihm eine kleben müssen!«
    Er brach in ein kleines Gelächter aus, aber es klang nicht sehr lustig, es klang, als wäre ihm eine Gräte in die Kehle geraten.
    »Was für eine kluge Mutter du doch hast«, sagte er schließlich, und jetzt klang sein Lachen frei.
    »Wie kommst du darauf?« fragte sie verblüfft.
    »Sagte sie nicht, sie fände dein Kleid allzu jugendlich?«
    Manuela starrte ihn an: »Sie konnte doch nicht ahnen, daß uns ein Flegel bedienen würde.«
    »Vielleicht ahnte sie es doch. Oder vielleicht hat sie selber ähnliche Situationen erlebt, wenn dein Vater sie ausführte — damals, als sie achtzehn und er dreiundvierzig war...«
    »Ich könnte heulen«, sagte Manuela und schnupfte wirklich auf, als ständen ihr die Tränen bereits in der Nase, »jetzt hat es dieser Lümmel doch wahrhaftig fertigbekommen, uns den Abend zu verpatzen. Und

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