Grün wie ein Augustapfel
Lampen, deren Licht durch blauseidene Schirme gedämpft wurde, und einer Bakkaratbank, hinter der ein Croupier sein Gähnen unterdrückte, bot sich — an Travemünde oder Neuenahr gemessen — in bescheidenem Rahmen dar. Aber da Manuela im Foyer einen bekannten Filmschauspieler mit seiner sehr eleganten Frau oder Freundin entdeckte, hatte sie das Gefühl, ihr Debüt in der Großen Welt zu erleben. Die Rufe der Croupiers, das leise Klirren der Jetons unter den Rechen, die Weisungen der Spieler beim Besetzen der Felder, das sirrende Geräusch der Kugel bei ihrem Tanz gegen die rotierende Schale, die knisternde Spannung nach dem >Rien ne va plus< und das neuerliche Scharren der Rechen und das Klirren der Spielmarken, die eingezogen wurden oder in kleinen Säulen zu den Gewinnern hinüberflogen und vor ihnen zusammenstürzten...
»Oh, ich finde es doch ziemlich aufregend«, flüsterte Manuela Guntram zu und zog ihn zu einem der Roulettetische, der dichter als die anderen umlagert war. Ihnen gegenüber saß ein Herr, das weiße Haar in Sardellen über den rosigen Schädel gelegt, zwei Taschentücher in den Manschetten, mit denen er sich wechselweise von rechts und links über die perlende Stirn fuhr, Säulen von roten, blauen und weißen Jetons vor sich, die er in kleinen Stapeln mit unglaublicher Geschwindigkeit über die Felder verteilte. Manuela schaute ihm aus großen Augen fasziniert zu.
»Wie kann er sich nur merken, was und wieviel und worauf er setzt?«
»Ich nehme an, daß er nach einem System spielt.«
»Und er gewinnt! Schau nur! Die Siebzehn! Ein ganzer Berg von Spielmarken. Und ich habe nicht gesetzt. Wo bekommt man die Jetons?«
Guntram hatte diese Wirkung der Spielsaalatmosphäre auf Manuela nicht erwartet und fürchtete, am nächsten Tag von Viktoria Vorwürfe zu hören. Aber während er sich nach dem Wechselschalter umschaute und sich überlegte, wie er Manuela ihre Absicht ausreden könnte, verhielt sie so unvermittelt, daß er fast aus dem Gleichgewicht gekommen wäre. Er folgte ihrer Blickrichtung zu dem letzten Tisch im Saal, der etwas weniger besetzt war als die anderen Rouletts.
»Was hast du? Was gibt's?«
»Am oberen Ende jenes Tisches, mit dem Rücken zu uns, aber halb im Profil, der Mann in dem dunkelgrauen Anzug, der sich jetzt über das Haar fährt...«
»Was ist mit ihm?«
»Es ist Herr Freytag!«
Er mußte sich sekundenlang besinnen, ehe er den Namen unterzubringen wußte: »Euer Geschäftsführer?«
»Ja, er ist es.«
»Was überrascht dich dabei so sehr?«
»Ich habe keine Ahnung davon gehabt, daß er spielt.«
»Er wäre wahrscheinlich genauso überrascht, dich hier zu entdecken.«
»Das ist doch ganz was anderes. Ich bin durch einen reinen Zufall hier.«
»Er vielleicht auch.«
»Freytag«, flüsterte sie, als könne sie es einfach nicht glauben. Sie sah sich um, als suche sie ein Versteck, aber der Saal bot keine Möglichkeiten, sich zu verbergen, und der Weg ins Restaurant oder in die Bar führte an Freytags Tisch vorbei. Nur der Weg ins Foyer blieb offen. Und Manuela zog Guntram mit sich fort. Sie sah ganz verstört aus.
»Es will mir einfach nicht in den Kopf, daß Freytag ein Spieler ist«, sagte sie erregt und sah sich noch einmal um, aber die schwere Portiere zur Vorhalle entzog ihr den Blick auf den Tisch, an dem Freytag saß.
»Ein Spieler«, murmelte Guntram achselzuckend, »bist du mit deinem Urteil nicht ein wenig rasch zur Hand?«
»Glaubst du etwa, daß er zum erstenmal hier ist?«
»Das weiß ich nicht — aber was willst du jetzt unternehmen? Sollen wir gehen?«
»Auf keinen Fall! Ich werde auf dich im Foyer warten, und du wirst Freytag beobachten. Er kennt dich nicht.«
»Also hör einmal«, sagte er und verdrehte unbehaglich den Hals, »du lädst mir da etwas auf.«
»Bitte, Bert, tu's! Tu es mir zuliebe«, sagte sie und sah ihn flehentlich an.
»Also schön, wenn es durchaus sein muß«, knurrte er und führte sie zu einer Ecke, wo sie sich die Zeit mit Hotelprospekten und Illustrierten vertreiben konnte. Er ging in den Speisesaal zurück und löste sich am Schalter eine Handvoll Jetons ein, mit denen er bei vorsichtigem Einsatz eine Weile auszukommen hoffte.
Der Tisch, an dem Freytag spielte, war inzwischen voll besetzt. Guntram ging auf die andere Seite hinüber, so daß er Freytag vor sich hatte. Er operierte mit kleinen Einsätzen, hielt sich an die einfachen Chancen, gewann dabei und verlor, ohne sein kleines Kapital zu gefährden. So
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