Grün wie ein Augustapfel
das! Und nun bestelle deiner Mutter noch einen schönen Gruß und — leb wohl, Manuela, wir sehen uns vielleicht schon morgen abend wieder.«
Manuela sah ein wenig enttäuscht aus, als sie in das Wohnzimmer kam.
»Ich soll dir noch einen Gruß von Bert bestellen.«
»Danke!«
Manuela ging zur Anrichte, auf der eine blaugemusterte Steingutschale mit rotwangigen Tiroler Äpfeln lag.
»Nun, war es nicht ein guter Einfall von mir, Bert herbeizurufen?« fragte sie.
»Ja, gewiß, Herr Guntram ist sehr hilfsbereit. Und manchmal braucht man einen Menschen. Es war ein Fehler, daß ich mich nach dem Tode deines Vaters von allen seinen Freunden zurückgezogen habe. Aber man kommt sich, wenn man plötzlich allein steht, überall wie das fünfte Rad am Wagen vor.«
Manuela griff nach dem größten Apfel, polierte ihn zwischen den Händen, bis er glänzte, als sei er mit Wachs überzogen, und biß mit Genuß in das krachende Fruchtfleisch.
»Er ist übrigens von dir ganz begeistert, Vicky. Er gestand mir noch gestern abend, daß er dich bezaubernd jung und hübsch fände.«
Ein Unterton in Manuelas Stimme, deren feinste Nuancen sie seit vielen Jahren kannte, veranlaßte Viktoria, den Kopf zu heben und ihre Tochter genauer anzuschauen.
»Und ich fand es direkt rührend, wie er um dich besorgt war«, fuhr Manuela fort, »wie er dich zum Sofa trug, und wie er. deinen Kopf stützte. Wie der barmherzige Samariter in Person.«
»Sag einmal, mein Kind, bist du etwa leicht übergeschnappt?« fragte Viktoria etwas kurzatmig, »willst du mir etwa eine kleine Eifersuchtsszene hinlegen?«
»Wie gefällt er dir eigentlich, Vicky?« fragte Manuela mit tückischer Sanftmut und betrachtete den Apfel in ihrer Hand, als spiegele sie sich in seiner roten Hälfte. »Ich finde, im Alter würde er fabelhaft zu dir passen. Vielleicht hast du doch die Absicht, ihn dir als Schmuckstück um den Hals zu hängen?«
Viktoria fuhr empor, ihre dunklen Augen wurden vor Zorn schwarz wie Anthrazit, und aus der Schwärze sprühten Funken.
»Reg dich nicht auf, Vicky«, sagte Manuela liebenswürdig, »du schadest damit nur deinem Magen. Und du weißt doch, wie empfindlich er reagiert.«
»Ich verbitte mir deine Unverschämtheiten«, fuhr Viktoria ihre Tochter an. »Aber an deinen Frechheiten bin ich selber schuld. Ich hätte die Grenze zwischen uns rechtzeitig abstecken müssen. Es war mein Fehler, daß ich dich wie meine jüngere Schwester behandelt habe.«
»Ach, Vicky, ich kenne die Grenze sehr genau. Aber manchmal macht es mir Spaß, darüberzuhüpfen. Und bisher hast du doch auch deinen Spaß daran gehabt. Gib es ruhig zu.«
»Was soll deine unverschämte Frage, wie Herr Guntram mir gefällt? Hast du kein Gefühl dafür, daß du mich damit beleidigst?«
»Als Mutter vielleicht«, gab Manuela nachdenklich zu, »aber als Frau mache ich dir damit doch eigentlich ein wuchtiges Kompliment, oder nicht?«
»Ich kann diese Ausdrücke nicht mehr hören! Wuchtig...«
»Also schön: Ein fabelhaftes Kompliment. Das ist der ganze Generationsunterschied. Aus eurem blödsinnigen fabelhaft ist unser blödsinniges wuchtig geworden. Findest du den Unterschied wirklich sehr bedeutend?« Sie biß herzhaft in den Apfel, es gab ein Geräusch, das Viktoria zusammenzucken ließ, als quietsche Kreide über eine Schiefertafel.
»Du hast Eindruck auf ihn gemacht, Vicky. Ich habe es deutlich gemerkt. Es riß Bert förmlich von den Socken, als er dich das erstemal sah.«
»Er wird eine ältere Dame erwartet haben«, murmelte Viktoria.
Manuela betrachtete den Apfel genau, ehe sie wieder hineinbiß: »Ich finde ihn einfach hinreißend«, sagte sie mit vol-; lern Mund. »Er ist bestimmt der netteste Mann, der mir jemals begegnet ist. Aber dreiundvierzig... Meine Güte, er könnte ohne weiteres mein Vater sein.«
»Das habe ich bereits angedeutet!«
»Ein fabelhafter Mann und ein phantastischer Wagen«, sinnierte Manuela weiter, »und ein sagenhaftes Auftreten. Die Ober kriegen Flügel und Düsenantrieb, wenn er ein Lokal betritt. Und die Musik spielt einen Tusch.«
Viktoria zuckte jedesmal zusammen, wenn Manuelas weiße Zähne sich tief in den Apfel gruben, aber sie hielt durch, um Manuelas Gedankenflug nicht zu unterbrechen.
»... und ich habe es mir recht flott vorgestellt, mich von ihm ausführen zu lassen und mit ihm anzugeben. Aber es ist doch ein bißchen peinlich, mehr für ihn als für mich, wenn man mich für seine Tochter hält.«
»Ist das
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