Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
darum.«
    »Daß ich es bemerkt habe?«
    »Nein — daß ich keine Dummheiten beging, die sich nicht hätten reparieren lassen«, sagte er sehr ernst.
    Manuela trank einen kleinen Schluck der Spätlese. Sie schwenkte den Neunundfünfziger im Pokal und beobachtete, wie der blumige Wein ölig abfloß.
    »Einen Sohn hast du dir nicht gewünscht, wie?« fragte sie mit einem seidigen Wimpernaufschlag.
    »Nein«, antwortete er mit dem Anflug eines leicht verlegenen Grinsens, »meine Vorstellung beschränkte sich auf zwei Töchter, komisch, nicht wahr?«
    »Das ist schade«, murmelte Manuela.
    »Ich verstehe dich nicht...«
    »Du hättest dir ja auch einen Sohn wünschen können. Etwa Gregors Typ... Ich glaube übrigens, daß du auf ihn mächtig Eindruck gemacht hast. Du könntest ihn um den kleinen Finger wickeln«.
    Der Pikkolo riß die Tür auf. Tatü tatü tatü tatüüüü! Das war Heinrichs Signal. Er trug auf den gespreizten Fingern der rechten Hand die schwere Platte hoch über der Schulter heran. Blaue Flammen wehten unter den zwischen eisernen Galgen schwebenden Schüsseln, in denen Fleisch und papriziertes Szegediner Kraut bruzzelten.
    »Das ist die berühmte >Ungarische Rhapsodie<, Liebling.«
    »Oh, Bert, ich werde es sehr vermissen, von dir nicht mehr ausgeführt zu werden«, sagte Manuela und starrte wehmütig in die züngelnden Flammen.
    »Warum denn nicht?«
    »Weil man einem Mann wie dir nur einmal im Leben begegnet. Und weil der Mann, den ich einmal heiraten werde, höchstwahrscheinlich ein eifersüchtiger Idiot sein wird.«
    Sie ließ sich von Heinrich ein Hühnerbeinchen, ein Lendenstück, Pommes frites, Kraut und Paprikasalat vorlegen und machte sich mit dem gesunden Appetit ihrer neunzehn Jahre über das köstlich zubereitete Essen her. Und sie trank auch den Mirabellenschnaps, den Heinrich zur Vorwärmung des Magens empfahl. Er bediente Manuela wie eine junge Königin.
    »Wie machst du das bloß, Bert, daß die Ober um dich herumschwirren, als ob du der Scheich von Kuweit wärest und nach jedem Essen Orden verteiltest?«
    »Hm, ich habe Heinrich vor einigen Jahren eine Skizze für sein Häuschen im Pilziggrund gemacht. Aus reiner Freundschaft. Aber seitdem hält er mich für Le Corbusier.«
    »Du machst doch nicht jedem Kellner Skizzen.«
    »Allerdings nicht!«
    »Dann bleibt es ein Geheimnis«, murmelte sie und faßte das Hühnerbein zierlich an der Manschette, um es zu benagen.
    »Ich habe mich vor diesem Gespräch ein wenig gefürchtet«, gestand Guntram und legte Manuela noch ein kleines Filetstück vor, »und ich bin sehr froh, daß du meine Erklärungen so ruhig und vernünftig aufgenommen hast.«
    »Wie es da drinnen aussieht«, murmelte Manuela und deutete mit dem Geflügelknochen auf ihr Herz. »Ich hatte eigentlich die Absicht, dir eine kleine Szene hinzulegen. Aber Vicky hat es mir streng verboten. Du hast übrigens bei ihr einen schweren Stein im Brett. Aber das brauche ich dir wohl nicht erst zu sagen.«
    »Sie tut mir leid«, murmelte er, »es ist in den vergangenen Tagen ein bißchen viel über sie hereingebrochen.«
    Er wurde durch Heinrich unterbrochen, der die Platte abräumte und Manuela zum Nachtisch Walderdbeeren mit Schlagrahm empfahl, taufrisch und handgelesen, mit keiner Maschine in Berührung gekommen...
    Sie konnte den Erdbeeren nicht widerstehen.
    »Und Sie, Herr Architekt? Eine Kostprobe Gorgonzola, edelreif und höchst pikant. Dazu einen Schluck Barbera aus dem Originalfiasco. Das wäre doch der richtige Schlußakkord nach der ungarischen Musik.«
    »Heinrich, Sie gehen mir aufs Gemüt — aber her mit dem Gorgonzola!« Er wandte sich Manuela mit leidgeprüftem Gesicht zu. Diese Sprüche hörte er nun seit zehn Jahren...
    Aber sie fand Heinrich großartig.
    »Ich hatte hier vor einer Woche mit dem Inhaber des Ikaros-Verlages, Dr. Münnich, eine Besprechung. Der Mann dürfte einige Milliönchen schwer sein. Heinrich kannte ihn nicht. Ich bestellte eine recht anständige Flasche. Man kann sich ja seinem Auftraggeber gegenüber nicht schäbig zeigen. Der Auftraggeber wiederum wollte seinen Architekten übertrumpfen. Heinrich brachte die Weinkarte, und der gute Dr. Münnich bestellte die letzte Nummer der Karte, eine Trockenbeerenauslese des Würzburger Juliusspitals, Jahrgang 49, Preis 80 Mark. Heinrich legte die Hand muschelförmig ans Ohr und nuschelte: Ja, zum Teufel, Nummer 37! Wie oft soll ich es Ihnen noch sagen? Da hob Heinrich hilflos die Schultern, sah mich ernst an

Weitere Kostenlose Bücher