Gründergeschichten
das nie ein Widerspruch, im Gegenteil. Die Ökologie ist nicht der Zweck unseres Geschäftes, aber sie ist auch viel
mehr als nur ein Marketinggag. Ökonomie und Ökologie gehören zusammen, das ist das Faszinierende daran.« Und ihm war von Beginn
an klar, dass der grüne Strom auch preislich wettbewerbsfähig sein musste. Denn in dieser Branche lässt sich nur ab einer
gewissen Kundenzahl gewinnbringend arbeiten. Und die bekommt nur zusammen, wer nicht nur den engeren Kreis der Bioladen-Szene
akquiriert, sondern auch ganz normale Leute. Die wiederum machen nur mit, wenn der Preis stimmt. Tatsächlich ist Licht-Blick
heute oft nicht teurer und zuweilen sogar billiger als die konventionelle Konkurrenz – nicht zuletzt dank einer schlanken
Verwaltung und des weitgehenden Verzichts auf herkömmliche Werbung. »Wir wollten von Anfang an langfristig die Nummer fünf
in Deutschland werden – hinter RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall. Damals haben viele, einschließlich unserer eigenen Mitarbeiter,
gesagt: Ihr habt sie ja nicht alle, das schafft ihr nie. Aber ich wollte mich nicht irgendwann darüber freuen, dass sich die
Mitarbeiterzahl von drei auf sechs verdoppelt hat. Wir wollten etwas ganz Großes machen.«
Michael Saalfeld ließ sich für die Idee begeistern. Noch heute gehören ihm mehr als 75 Prozent des Unternehmens LichtBlick,
das aus dieser Idee entstand. Jeweils fünf Prozent |52| halten Heiko von Tschischwitz und sein Kollege Wilfried Gillrath, die restlichen Anteile liegen bei langjährigen Geschäftspartnern.
LichtBlick beschäftigt heute gut 200 Menschen. »Am Anfang waren wir zu dritt. Und als wir im Oktober 1999 tatsächlich mit
den Stromlieferungen begannen, waren wir zu siebt, hockten in einem winzigen Büro und hatten acht Haushaltskunden – uns selbst
und zwei unserer Berater. Das war schon sonderbar, aber es gab auch diese Aufbruchstimmung, die viele Gründer kennen werden.
Man diskutiert alles miteinander, ist ein bisschen aufgeregt und geht immer zusammen mittagessen.«
Dennoch, der Aufwand war gewaltig, den Laden überhaupt ins Laufen zu bringen. Von Tschischwitz sagt: »Das fing schon bei der
Abrechnungssoftware an. Die großen Softwarehäuser wie SAP haben abgewinkt: Was Sie brauchen, haben wir nicht, denn das hat
noch keiner verlangt. Irgendwann haben wir gesagt: Dann schreiben wir uns unsere Software eben selbst. Das war viel Arbeit
und teuer, aber dafür haben wir jetzt ein System, das präzise auf unsere Wünsche zugeschnitten ist und mit uns mit wächst.
Mittlerweile haben wir 20 fest angestellte Programmierer, die unsere Software fortlaufend an die jeweiligen aktuellen Marktstrukturen
anpassen. Auch das gehört im übrigen zu unseren spezifischen Vorteilen. Ich glaube nicht, dass es einen anderen Anbieter in
Deutschland gibt, der seine Kunden so effizient betreuen und abrechnen kann.«
Erst hat LichtBlick nur Kunden in Hamburg und Frankfurt am Main beliefert, dann das Versorgungsgebiet nach und nach ausgebaut
– gegen den hinhaltenden Widerstand vieler der etablierten Netzbetreiber. Auch da half, dass sich von Tschischwitz in der
Branche auskannte. LichtBlick musste flexible |53| Verträge mit Ökostromlieferanten schließen – am Anfang war es einer in Österreich, heute ist es ein gutes Dutzend, die Mehrheit
davon sitzt im Ausland. Und vor allem musste sich das junge Unternehmen bei sämtlichen Stadtwerken und Energieversorgern durchsetzen,
in deren Machtbereich es Kunden beliefern wollte. »Wettbewerb war ja für die bis dahin ein Fremdwort. Und nicht jeder reagiert
sehr hilfsbereit, wenn man am Telefon sagt: Guten Tag, wir müssen reden, denn ich will Ihnen Ihre Kunden wegnehmen.« Von Tschischwitz
lernte alle Formen der Obstruktion kennen: »Manche haben gar nicht erst reagiert. Andere boten einen Termin viele Monate später
an. Wieder andere sind zum verabredeten Termin nicht erschienen. Oder die Anträge auf Netzdurchleitung wurden über viele Monate
einfach liegen gelassen. Die Stadtwerke München wollten uns grundsätzlich nicht in ihr Netz lassen, hier mussten wir das Bundeskartellamt
zu Hilfe rufen. Andere haben Mondpreise für die Nutzung ihrer Netze oder Wechselgebühren von ihren Kunden verlangt oder bewusst
falsch abgerechnet. Und sie haben gezielt unsere Kunden mürbe gemacht – dass der Wechsel technisch nicht funktioniere, dass
wir unseriös seien, was auch immer. Wir haben allein dadurch schon massiv
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