Gründergeschichten
Forschungsgemeinschaft (DFG), der Europäischen Union oder dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
finanziert. Doch die Förderinstrumente seien insgesamt viel zu stark national ausgerichtet. »Wenn wir bei der DFG oder dem
BMBF sagen, wir haben da eine ganz erfolgversprechende Idee und können auch belegen, dass sie ökonomisches Potenzial hat,
aber unser Partner sitzt in New York, dann geht das nicht oder es ist wahnsinnig kompliziert«, kritisiert Peitgen. Der Partner
in New York müsste einen Antrag in seinem Land stellen und er gleichzeitig in Deutschland und dann steckten beide Förderinstitutionen
ihre Köpfe zusammen. »Das klingt nach einer guten Lösung, aber praktisch können Sie das vergessen. Aufwand und Zeit stehen
in keinem guten Verhältnis zur Erfolgswahrscheinlichkeit«, so Peitgen. Noch schlimmer sei es bei der europäischen Forschungsförderung.
So müssen zum Beispiel immer viele Institutionen aus verschiedenen europäischen Ländern an einem Projekt beteiligt werden.
Bei einem aktuellen Förderantrag von MeVis Research kann Peitgen aber nur zwei sinnvolle benennen. Nun überlegt er, den Antrag
ganz fallen zu lassen. »Da werden krampfhaft künstliche Konstrukte geschaffen, nicht weil sie so exzellent sind, sondern weil
sie politisch so gewollt sind.« Es sei gut, dass Europa zusammenwachse. Aber im internationalen Wettbewerb zähle nur die Klasse.
»Die überbetonte europäische Komponente ist schlecht, das ist einfach absolut nicht erfolgsorientiert |156| .« Die Politiker würden immer von Globalisierung reden, »aber dann macht bitte auch Globalisierung und schafft endlich Strukturen,
die beweisen können, dass wir in diesem globalen Wettbewerb wirklich etwas leisten können.« Forscher und Unternehmensgründer
müssten belohnt werden, wenn sie mit Chinesen, Amerikanern oder Taiwanesen zusammenarbeiteten. Denn die Produktion werde in
Zukunft immer globaler werden. Doch die Realität sehe ganz anders aus: »Da wird abgeschottet, da wird limitiert, da wird europäisiert.
Das ist wirklich unglaublich.«
IV. Der Alltag, die Freiheit und neueVisionen. Wohin die MeVis-Gruppe
steuert
Peitgen arbeitet nach wie vor als Professor und hält Vorlesungen vor seinen Studenten in Bremen und in Florida, wo er drei
bis vier Monate im Jahr lebt. Den größten Teil seiner Zeit beansprucht allerdings die Organisation von Me-Vis Research. Dazu
kommt das Mitmanagement der kommerziellen MeVis-Unternehmen. »Es war sehr schwer, das richtige Management für die Gruppe zu
finden, denn in der Forschung darf man nicht so arbeiten wie in einer kommerziell ausgerichteten Firma und in einer kommerziell
ausgerichteten Firma bloß nicht so wie in der Forschung.« Letztere brauche große Freiräume.
Peitgen ist ein leidenschaftlicher Befürworter von Freiräumen. Seinen Freiheitsdrang und seine Offenheit für Neues erklärt
er sich zum Teil mit den Erfahrungen seiner Kindheit. Er sei in der Nachkriegszeit in einem winzigen Dorf groß geworden. Die
Kinder seien kaum kontrolliert worden und konnten alles ausprobieren, was sie wollten. »Vieles davon war natürlich schrecklich
verboten«, erinnert sich Peitgen. |157| »Wir fanden Waffen und haben mit denen nicht nur gespielt, sondern auch geschossen, wir organisierten alte Autos, schliffen
denen die Dächer ab und hatten Cabrios.«
In seiner Firma geht es zwar nicht ganz so verboten zu. Aber auch hier gilt Ausprobieren als Grundtugend. Bei Me-Vis Research
erhalten die Mitarbeiter eine zumeist sehr komplizierte Aufgabenstellung, doch wie sie ans Ziel kommen, müssen sie selbst
herausfinden. Es existieren keine genauen Arbeitspläne, keine Abteilungen und keine Abteilungsleiter, sondern lediglich Teams
und die organisieren sich in hohem Maße selbst. Man brauche sehr viel Einfühlungsvermögen, findet Peitgen, um eine so interdisziplinäre
Truppe wie die seine zu einem Team zusammenzuschweißen: Physiker und Mediziner sprechen vollkommen verschiedene Sprachen und
kommen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Situationen, sie kennen andere Mechanismen des Publizierens und des Erfolges.
Mediziner sind ungeduldiger, sie wollen sofort eine Lösung, um einem kranken Patienten helfen zu können. Auch die Freude an
Teamarbeit, findet Peitgen, sei in der Medizin nicht ganz so ausgeprägt wie zum Beispiel bei Mathematikern. »Ein Grund ist
sicher, dass es in der Mathematik einfacher ist, eine
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