Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gründergeschichten

Titel: Gründergeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
Vom Netzwerk:
Asien.
    Es gab Interesse aus der Industrie an MeVis, man hätte die Firma verkaufen können. Doch Peitgen und seine Mitarbeiter wollen
     auf jeden Fall unabhängig bleiben. »Es klingt vielleicht etwas großmäulig«, sagt Peitgen, »aber wir sind geleitet von der
     Vision, so etwas wie die SAP der Medizintechnik werden zu können.« Ein medizinischer Softwarekonzern von Weltrang.
    Und das ist sicher nicht die letzte Vision des Chaosforschers Heinz-Otto Peitgen.
    Doris Schneyink

161
    187
    161
    187
    false
|161| »Gott wird mich nicht fragen, wie viele Schuhe ich verkauft habe«
    Heinrich Deichmann-Schuhe GmbH & Co.KG
    Als junger Kriegsheimkehrer fing Heinz-Horst Deichmann mit dem
Schuhladen seines Vaters an. Ausgestattet mit einem festen Glauben
an Gott und auch an sich selbst, einer Nase für das Geschäftliche
und viel Fleiß wurde Deichmann zum Schuster der Nation. Inzwischen
ist sein Unternehmen weltweit tätig. Sein Geld investiert der
promovierte Mediziner auch in Waisenhäuser in der Dritten Welt.
     
    D er alte Herr, eher klein und zart, sitzt auf seinen Händen. Den Kopf neigt er nach vorn, um seinem Gesprächspartner nahe zu
     sein. Er spricht von Skrupeln, Unsicherheit, Verantwortung, Zweifeln. Als er vor ein paar Jahren einmal im Auto unterwegs
     war, ist er für Sekundenbruchteile eingenickt, war plötzlich auf der falschen Spur; und die drei Inder, die mit ihm im Wagen
     saßen, wurden sehr still. »Da ist kein Auto in dem Moment in uns hinein gefahren. Aber mich hat das erschreckt. Seit der Zeit
     habe ich Hemmungen, selbst zu fahren«, sagt Heinz-Horst Deichmann. Mit entwaffnender Unsicherheit fragt der 80-Jährige: »Ist
     das falsch?« Nein, natürlich nicht. Und dass er so fragt, ist alles andere als ein Zeichen von Schwäche – es wäre eins, wenn
     er ein angestellter Manager wäre, bezahlt für Kompetenz und jederzeitige Entschlossenheit. Aber er ist das Gegenteil: Einer
     der erfolgreichsten Gründer der Republik, Milliardär aus eigener Kraft, Europas |162| größter Schuh-Einzelhändler. Jeder fünfte in Deutschland verkaufte Schuh kommt aus seinen Läden, jeder dritte Deutsche hat
     Deichmann-Schuhe im Schrank. Ein Unternehmer, der atemberaubenden Erfolg mit einer Philosophie hat, die alle Klischees von
     der Schlechtigkeit der Welt infrage zu stellen scheint. »Die Wirtschaft muss den Menschen dienen«, sagt er mit größter Selbstverständlichkeit.
     Auch als Händler will er sich an seinen christlichen Überzeugungen messen lassen. »Ich will niemanden betrügen, niemandem
     etwas Schlechtes oder zu Teures verkaufen.« Entlassen will er auch niemanden. Betriebsbedingte Kündigungen hat es bei Deichmann
     noch nie gegeben. Dafür soziale Wohltaten aller Art; vom Gesundheitsurlaub über die Betriebsrente bis zu Jubiläumsgeschenken
     und Nothilfen in Lebenskrisen. Der Betriebsratsvorsitzende steht noch in der Tür; vor ein paar Minuten hat der weißhaarige
     Deichmann, ganz gütiger Patriarch, mit ihm vereinbart, die Prämie bei der Geburt eines Kindes von 315 auf 500 Euro zu erhöhen.
     Wie kann das funktionieren? Was ist das Geheimnis?
    Deichmann erzählt eine Anekdote vom Vorabend des Zweiten Weltkriegs, die ein wenig Aufschluss gibt. Er war vielleicht zehn
     oder elf Jahre alt und fuhr für seinen Vater, der ein Schuhgeschäft in Essen-Borbeck hatte, immer die zur Reparatur abgegebenen
     Schuhe zu den umliegenden Schustern, die sie dann flickten. Er fuhr Straßenbahn, was nicht viel, aber doch etwas Geld kostete.
     »Dann habe ich mir bei der Freiherrlich Fürstenbergschen Grundstücksverwaltung die Erlaubnis besorgt, auf einem kleinen, brachliegenden
     Grundstück etwas Gemüse anzubauen. Wie das geht, wusste ich aus Ferienaufenthalten bei meinem Vetter in Hessen. Ich habe |163| also Mist aus den Ställen der Bergleute geholt, die oft ein Schaf gehalten haben, und angefangen, Gemüse zu ziehen. Einen
     Teil davon habe ich verkauft: zuerst, um mir eine Hacke und eine Schaufel zu besorgen. Dann hatte ich zehn Reichsmark. Davon
     habe ich meinem Freund Georg ein Fahrrad abgekauft. Ich ging zu meinem Vater und sagte, ich kann jetzt mit dem Rad fahren.
     Ob ich das gesparte Geld für die Straßenbahn haben könne? Er lachte und gab mir ein paar hinter die Ohren. Da war die Sache
     erledigt.« Nach den Groschen für die Straßenbahn hat er nie mehr zu fragen gewagt. Heute – im Abstand von fast 70 Jahren –
     erkennt er sich dennoch in dem kleinen Jungen wieder: »Aktivität in jeder

Weitere Kostenlose Bücher