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Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Metzner
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Audimax der Universität, quer über der Glasfassade, hing eine große Stoffplane mit der Aufschrift »OneWorld-Kongress«, und durch die Eingänge strömten die Besucher in das überfüllte Foyer. Gestalten mit Schutzanzug und Atemmaske rollten scheppernde Fässer durch die Menge, auf die das schwarz-gelbe Warnzeichen für Radioaktivität gemalt war. Dazwischen, auf Stelzen, weiß geschminkte Männer in Frack und Zylinder. Sie schleuderten Papiere mit Euro- und Dollarzeichen über die Köpfe, »Lizenz für nukleare Verseuchung« war darauf zu lesen, »Coupon für Luftverschmutzung« und »Genussschein für die Überfischung der Meere«. Auf der Rückseite: »Wann wird das Kasino endlich dichtgemacht?«
    Mondrian blieb einen Moment im Gedränge stehen, um sich zu orientieren. Dann kämpfte er sich durch das Getümmel zu dem Stand, an dem er sich anmelden musste. Während er in der Schlange wartete, musterte er die Transparente, die rundum an Wänden und Treppenaufgängen hingen.
    »Eine andere Welt ist möglich.« – Die alte Attac-Parole, untermalt von einem »Wir sind Helden«-Song.
    »Menschen vor Profite – alle Atommeiler abschalten – jetzt und sofort!« – Der Slogan eines Bündnisses von Kernkraftgegnern.
    »Schluss mit dem Wachstumswahn!« – Der Protest junger Aktivisten, die Stofffetzen mit »Klimalügen« beschriftet und zu einem Seil verknotet hatten, das durch die ganze Eingangshalle lief.
    »Hallo«, sagte ein Rasta-Kopf am Anmeldestand und wiederholte im Stimmengewirr seine Frage: »Brauchst du auch einen Schlafplatz?«
    Mondrian schob die Liste, in die er sich eintragen konnte, dankend zu ihm zurück.
    Zwischen Rucksackträgern und WLAN-Junkies, die mit aufgeklapptem Laptop ihre letzten Mails checkten, schlängelte er sich zu den Stellwänden mit den handgeschriebenen Zetteln. Dort reckten sich die Köpfe um das Programm, das sich minütlich änderte. »Das Märchen vom Atomausstieg« hieß einer der Workshops, »Wie schaffen wir die Energiewende?«, fragte ein anderer. Seminare über »Teller statt Tank«, »Hunger im Überfluss« und »Globale Gerechtigkeit« wurden angeboten, Gesprächsrunden über »Gentrifizierung« und die »Stadt für alle!« – insgesamt mehr als fünfzig Veranstaltungen.
    Als Mondrian an Plakaten für Solarstrom aus der Wüste vorbei in das Auditorium Maximum eintrat, war die Auftaktdiskussion schon im Gang.
    Über tausend Menschen füllten an diesem Nachmittag den Hörsaal, Besucher ohne Sitzplatz kauerten auf Gängen und Stufen. Auf die Leinwand über dem Podium war eine Weltkugel mit einer glimmenden Zündschnur projiziert. Darunter saßen die angekündigten Redner: Bianca Jagger, die Lippen kirschrot, mit Grüßen vom »World Future Council« in London; Frank Bsirske, der Frontmann der Gewerkschaft ver.di; daneben die indische Bauern-Aktivistin Vandana Shiva im bunten Sari und ein ergrauter deutscher Ex-Minister, im zweiten politischen Leben Attac-Fan. Und Ullrich Brandtner, emeritierter Professor der Freien Universität Berlin. Beifall brandete auf, als der über achtzig Jahre alte Politologe mit dem schlohweißen Haar ans Rednerpult trat.
    »Genossinnen und Genossen«, sagte Brandtner mit einer Stimme, die so brüchig war, dass man sie selbst durch die Lautsprecher schwer verstehen konnte, »es galt lange als unmodern, diese Anrede zu benutzen. Aber wie schon unser Freund Bob Dylan gesungen hat, the times they are changing . Selbst Brecht würde inzwischen fragen: Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bad Bank?«
    Brandtner wartete, bis sich das Gejohle gelegt hatte.
    »Den Heuschrecken und Finanzhaien der letzten Wachstumsblase bleibt ein Verdienst. Sie haben uns gezeigt, wohin Gier und Größenwahn führen. Jetzt sind die westlichen Staaten so tief im Dispo wie die maroden Atommüllfässer in der absaufenden Asse.«
    Erneutes Gelächter, das er mit einer Handbewegung unterbrach.
    »Die Situation ist leider ernst, todernst. Denn zu der ökonomischen Krise, deren wirkliche Kosten noch gar nicht bekannt sind, kommt die ökologische. Der fossile Kapitalismus verbraucht in einem Jahr mehr Kohle, Öl und Gas, als die Natur in Jahrmillionen produziert hat. Und damit verheizen wir unsere Atmosphäre. Niemand kann mehr die schockierende Erkenntnis des Weltklimarats ignorieren: Wir fahren die Erde mit unserer ausbeuterischen Wirtschaftsweise gegen die Wand. Wir haben einen historischen Moment erreicht!«
    Einen historischen Moment . Die Worte

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