Gruene Armee Fraktion
hinter einer Geburtstagstorte zu sehen.
»Wir haben noch vier Teams draußen, die betroffene Familien abklappern und an der Haustür klingeln«, fuhr Rolfes fort, »die klassische Methode. Auch wenn nicht jeder das mag«, Seitenblick auf Mondrian, »aber die Zeiten sind längst vorbei, in denen nur die Boulevardpresse so was gemacht hat.«
»Eben«, sagte Mondrian, »deswegen trifft man draußen auch immer öfter auf verbrannte Erde. Kein Wunder, wenn die Leute Journalisten hassen, die in Vorgärten steigen und mit ihren Kameras bis in die Schlafzimmer zoomen.«
»Zum Glück gibt’s ja inzwischen was Hübscheres.« Der pausbäckige Bildredakteur klickte eine ganze Galerie von Mädchenbildern an. Er ließ sie so schnell über die Monitore ziehen, dass man kaum folgen konnte.
»Wo kommen die alle her?«, fragte Mondrian.
»Aus dem Netz. Internetrecherche nennt sich das, eine Erfindung aus diesem Jahrtausend.« Er grinste Mondrian an und klickte weiter. »Facebook, studiVZ, schülerVZ, Myspace. Schon mal gehört? Da liegt alles rum, was man sich als Redakteur nur wünschen kann. Jugendfotos, Urlaubsfotos, Freundinnen und Freunde, Liebesgedichte und andere Peinlichkeiten …«
»Und der Datenschutz?«, unterbrach ihn Mondrian. »Eine Erfindung aus dem vorigen Jahrtausend. Schon mal gehört?«
»Den kannst du vergessen, wenn die Kids ihre Abi-Noten und die Fotos vom anschließenden Komasaufen selbst reinstellen«, sagte der Cop entschieden. »Wer sind die beiden?«, wollte er wissen, als Bilder von zwei Männern mittleren Alters in Businessanzügen auftauchten.
»Manager einer Düsseldorfer Rüstungsfirma, die im Großraumwagen umgekommen sind«, erklärte ein Wirtschaftsredakteur aus der hintersten Reihe. »Angeblich mit brisanten Unterlagen über ein Waffengeschäft mit Israel unterwegs.«
»Komischer Zufall.« Rolfes knetete unbewusst seine Finger. »Könnte es sein, dass der Anschlag in Wirklichkeit denen gegolten hat?«
»Das läuft hier auch schon als Gerücht um«, meldete der Korrespondent, der aus Karlsruhe zugeschaltet war, »beim Generalbundesanwalt wird diese Möglichkeit nicht mehr ausgeschlossen, hat mir seine Sprecherin versichert.«
»Und was sagen deine Verbindungen in Wiesbaden?«, wandte sich Rolfes an Mondrian. »Was weiß das BKA inzwischen über diese Grüne Armee Fraktion?«
»Noch kein Durchbruch bei den Ermittlungen.« Mondrian zog bedauernd die Schultern hoch. »Die Kriminaltechnik arbeitet auf Hochtouren, nur gibt es bisher keine wirkliche Spur. Aber ich habe eine andere Quelle, von der ich eine wichtige Info erwarte, und zwar ziemlich bald.«
»Von wem denn?«, preschte die Pausbacke vor.
»Informantenschutz«, erwiderte Mondrian, »noch so eine altmodische Erfindung.« Im Aufstehen sagte er zu Rolfes: »Wenn ich weiter bin, gebe ich dir Bescheid.«
Als er wieder in seinem Büro war, kontrollierte er sein Handy. Das nahm er nie in Konferenzen mit, weil er es hasste, wenn sich dort alle Köpfe nach einem Klingelton umdrehten oder wenn ein Kollege nach dem Vibrationsalarm aus dem Raum stürzte, als wäre der liebe Gott höchstpersönlich am Apparat.
Im Posteingang eine neue Nachricht von einer unbekannten Nummer. Der Text bestand nur aus drei Worten: »One World Kongress«.
Aber es gab eine Anlage. Als Mondrian sie öffnete, erschien ein Foto auf dem Display, leicht unscharf, offenbar mit einem Teleobjektiv aus einiger Distanz geschossen. Darauf schaute ihn eine Frau mit einem markanten schmalen Gesicht an, lange dunkle Locken, rotes T-Shirt mit der Aufschrift »Abschalten!«. Im Hintergrund war ein Haus mit einem Graffito zu erkennen. Eine geballte Faust.
16
Montag, Nachmittag
Betreff: aussteiger
Gesendet: 16:41 uhr
will jemand aussteigen? ice-aktion auch bei uns umstritten. musste aber jedem klar sein, dass die zahl der opfer unbestimmt sein wird. die eskalation hielten alle für nötig,
wenn wir unsere ziele erreichen wollen. das war doch vorher konsens.
dürfen uns jetzt auf keinen fall beirren lassen. dieser kampf ist uns aufgezwungen worden, und es gibt kein zurück mehr. jetzt rausgehen nutzt niemandem, dann wären alle opfer sinnlos gewesen.
nach vorn schauen, zur nächsten aktion.
17
OneWorld-Kongress, Hamburg
Schon von Weitem war der riesige Ballon über dem Campus zu sehen. »Du hast nur einen Planeten«, verkündete die Aufschrift auf der blauen Kugel, die an einer langen Leine mitten über dem Van-Melle-Park schwebte. Am
Weitere Kostenlose Bücher