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Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Metzner
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in eine Vene an der Leiste zu drücken. Er war nicht mehr ansprechbar, als er sich den Schuss gesetzt hatte und die Augen schloss.
    Mondrian ließ ihn allein, um wieder zu den anderen zu gehen. Im Flur kam er an einem Zimmer vorbei, in dessen halb offener Tür er einen Gebetsteppich und Bücher mit arabischen Schriftzeichen entdeckte. Der Lärm von Bongos zog ihn schließlich zurück ins Eckzimmer.
    Karsten und Alex versuchten, jeweils lauter als der andere auf die Trommeln einzuschlagen, wobei sie zwischendurch eine Absinthflasche um die Wette leerten. Die pummelige Edda stampfte ihren eigenen Rhythmus, daneben drehte sich Angel, die Arme weit ausgebreitet, wie ein Sufi-Tänzer im Kreis. Speedy beamte zuckende Videobilder an eine Wand, indem er auf eine Tastatur einhackte, während die verschreckten Beagles in einer Ecke kauerten, so weit wie möglich in Deckung. Ricarda verließ fluchtartig den Raum.
    Mondrian folgte ihr in den Korridor, aber er bekam nur noch mit, wie sie mit den Zwillingen in der gegenüberliegenden Wohnung verschwand und die Tür zuklappte. Gleichzeitig nahm er aus den Augenwinkeln wahr, wie jemand die Treppe zum Dachboden hochstieg. Die Stufen knarrten, er hörte oben dumpfe Schritte. Ein Scharnier quietschte, dann wurde es still.
    Leise folgte er, bis er im Dachgeschoss vor einer Brettertür ankam. Ein schwacher Lichtschein aus einem Spalt über den Dielen. Langsam, Zentimeter für Zentimeter, drückte Mondrian die unverschlossene Tür auf. Er tappte in eine Art Verschlag, wie eine Schleuse, mit dicken Decken verhängt, um Licht und Schall abzuschirmen. Als er sie zur Seite schob, stand er in einem gleißend hellen Gewächshaus aus silbernen Folien mit einem üppigen Cannabis-Wald.
    Über einen Meter hoch ragten die sattgrünen Stauden aus Blumenkästen. Die Blütenstände schossen bis dicht unter die Wärmelampen, die von der Decke hingen; Lüfter ließen einen hauchfeinen Wind durch die Stauden streichen, leicht modrig, tropenschwül. Ein Netz von Schläuchen und Pumpen versorgte die Erde mit Wasser und Dünger. Ein stetes Tropfen war zu hören, in das sich wie von ferne das Dröhnen der Bongos mischte. Irgendwo hier musste die Gestalt verschwunden sein.
    Vorsichtig drang Mondrian in das Grün ein, schob sich durch ein meterlanges Spalier von Pflanzen, drückte die gefiederten Blätter zur Seite. Und dann sah er ihn, in einen Winkel geduckt: den Bärtigen mit arabischem Aussehen, den er schon mehrmals bemerkt hatte, aber immer nur im Hintergrund.
    »Gehörst du auch zur Kommune?«, fragte Mondrian verblüfft.
    »Ja. Ich bin Youssef.« Fast tonlos, nur ein Flüstern.
    »Keine Sorge, Youssef, ich bin nicht vom Rauschgiftdezernat. Und Gypsy hat mir längst verraten, dass euer Stoff von hier kommt«, log Mondrian. »Und du, wo kommst du her?«
    Ein scheues Lächeln glitt über das dunkle Gesicht, als er »Marokko« sagte. Stockend erzählte er, dass er vor einem Jahr mit einem Fischerboot nach Spanien übergesetzt sei. In Deutschland hätte er Elektrotechnik studieren wollen, aber keine Aufenthaltserlaubnis erhalten.
    »Keine Papiere, da bin ich untergetaucht. Hab in einem Lokal gearbeitet, schwarz. Hab dort im Keller geschlafen, bis Gypsy kam. Hat mir Asyl gegeben, in ihrer Wohnung hier.«
    Langsam richtete er sich auf, und mit Fingern voller Feingespür, als wäre er ein geschulter Gärtner, zupfte er überflüssige Triebe von den Marihuana-Pflanzen.
    »Jetzt ist das hier meine Arbeit. Mein Garten.« Feierlich, als stünde er in einer Moschee, erklärte er: »Ein Paradies, das Allah uns geschenkt hat.«
    »Und wen versorgt ihr mit Allahs Geschenk? Die halbe Stadt?«
    »Nur für den Hausgebrauch, hat Gypsy gesagt.« Youssef verzog die Lippen zu einem leichten Grinsen und fing an, Blütentrauben zu ernten. Nach einer Weile klaubte er getrocknete Blätter aus einem Glas, drehte einen Joint und zündete ihn an.
    »Gute Sorte. Riechst du das?«, fragte er, als der süßliche Rauch in Spiralen aufstieg. Der harzige Qualm begann das Gewächshaus zu füllen.
    Mondrian spürte, wie ihn ein leichter Schwindel erfasste. Je länger er sich in dieser seltsamen Kommune aufhielt, desto mehr fühlte er sich wie in einem Irrgarten. Im Hanfnebel verschwammen die Figuren um Gypsy zu Vexierbildern, die sich ständig veränderten, je nachdem aus welcher Perspektive man sie betrachtete. Manchmal schienen sie perfekt in Schirras Geheimdienstvermerke zu passen, dann wieder wirkten sie bloß wie durchgeknallte

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