Gruene Armee Fraktion
die Klinge lag an seinem Hals. Drückte gegen die Kehle. Nahm ihm die Luft.
Ein Schnitt, und er würde nur noch röcheln.
Aber Chevalier schnitt nicht, er hob den Arm und schlug Mondrian mit dem Knauf des Messers voll auf den Mund. Die Unterlippe platzte. Mondrian spürte etwas Warmes im Mund.
Der Franzose holte erneut aus und brüllte: »Spuck es endlich aus!«
Im selben Moment sah Mondrian vor sich einen Baum an der rechten Straßenseite auftauchen. Nur noch wenige Meter. Ohne zu überlegen, riss er das Steuer herum und hielt direkt auf ihn zu.
Der Wagen krachte gegen den Stamm. Holz splitterte, die Airbags explodierten. Jean-Claude Chevalier, nicht angeschnallt, wurde wie von einer riesigen Boxerfaust getroffen und gegen die Rücklehne geschleudert. Das Messer entglitt ihm, die Sonnenbrille flog gegen die Decke.
Sekundenbruchteile später traf ihn Mondrians rechte Handkante so hart im Gesicht, dass sein Nasenbein knackte. Das trockene Geräusch war selbst zwischen dem Zischen des absterbenden Motors zu hören. Als die Maschine stillstand, war auch das Stöhnen des Mannes deutlich zu vernehmen, der zusammengesackt auf dem Beifahrersitz lag.
Mondrian hatte einen Augenblick Angst, dass er zu fest zugeschlagen hatte. Aber nur einen kleinen Augenblick. Zwar waren die Augen des Franzosen geschlossen, aber er atmete regelmäßig. Mondrian stieg aus, zog den Bewusstlosen aus dem Wagen und legte ihn in stabiler Seitenlage neben den Baum.
» Au revoir, Schweinebacke«, murmelte er, als er den eingebeulten Wagen wieder startete. Er war immer schon ein Fan von »Stirb langsam«-Filmen gewesen, aus unerfindlichen Gründen, und hatte sich bislang aufrichtig dafür geschämt. Doch nie hätte er gedacht, dass er Bruce Willis einmal live zitieren und dabei eine gewisse Genugtuung empfinden würde. Aber schließlich musste sich jemand, der wie ein Depp aussah, nicht unbedingt wie einer benehmen.
Wenigstens bewegte sich der Wagen noch, ein Wunder. Mit verzogener Motorhaube, jaulendem Fahrwerk und einem Christbaum von Fehlermeldungen auf den elektronischen Armaturen rollte er langsam zurück Richtung Innenstadt, um eine Werkstatt anzusteuern. Offenbar hatte niemand die Szene beobachtet, jedenfalls hatte kein Auto in der Nähe angehalten.
Von der nächsten Telefonzelle aus rief er die 112 und meldete eine hilflose Person am Straßenrand.
36
Justizvollzugsanstalt, Schwalmstadt
Paradeplatz. Schon bei dem Namen hatte er innerlich gezuckt, als er die Adresse in das Navi des Mietwagens eingetippt hatte. Klang nach Drill und Kaserne. Damit hatte Mondrian nie etwas zu tun haben wollen, schon in jungen Jahren nicht, als er noch im geteilten Berlin gelebt hatte, ohne Wehrpflicht. Stattdessen war er lieber in die Ferne gezogen, nach Südfrankreich, auf entlegene griechische Inseln, an die wilden Strände Portugals, mit Christin …
Er verscheuchte die Gedanken an sie, hielt vor einem festungsartigen Gemäuer und blickte sich um. Strenge Fassaden, vergitterte Fenster, schiefergraue Dächer, umgeben von meterhohen Mauern, auf denen rasiermesserscharfer Stacheldraht verlief. Bewaffnete Posten in Türmen bewachten das verwinkelte Gebäude, das einmal als Jagdschloss eines Landgrafen errichtet worden war und dann als preußisches Zuchthaus diente.
Mondrian trat auf die Pforte in der roten Steinmauer zu und schob seinen Personalausweis durch eine Klappe in der Panzerglaskabine, wo ihn ein Uniformierter entgegennahm.
Rechtsanwalt Zambrotta war hocherfreut gewesen, als er mit Grosser am Vorabend den Handel über die Protokolle perfekt gemacht hatte. Kein Problem, Mondrian könne seinen Mandanten natürlich besuchen. Am frühen Morgen hatte Zambrotta ein Fax mit der Ankündigung an die Justizvollzugsanstalt im hessischen Schwalmstadt geschickt. Dorthin war Stefan Ahlers alias Speedy kurzfristig verlegt worden, obwohl das Gefängnis nicht für Untersuchungshäftlinge, sondern für Lebenslängliche und andere Langstrafer bestimmt war. Höchste Sicherheitsstufe. RAF-Mann Rolf Clemens Wagner hatte hier viele Jahre gesessen. Sein Mandant, war Zambrotta mitgeteilt worden, sei in die Festung überstellt worden, weil man ihn dort besser abschirmen könne. Das war, so hieß es, sogar sein eigener Wunsch gewesen.
Wie musste Speedy sich jetzt fühlen, dachte Mondrian, ein Computerbesessener ohne Computer und ohne seine kleinen weißen Helfer, die Pillen, die er sonst ständig einwarf?
Es dauerte fünf Minuten, bis die schwere Stahltür am
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