Gruene Armee Fraktion
geworden.«
»Ich hab schon gemerkt, dass du total schüchtern bist«, sagte sie mit einer Prise Ironie, »aber das muss ja nicht ewig so bleiben.«
Langsam streckte sie eine Hand zu ihm aus und strich ihm so über die Wimpern, dass er die Augen schließen musste.
Er hielt den Atem an, als er spürte, wie ihre Finger weiterwanderten. Über die kratzigen Wangen, die Brustwarzen, den Bauch mit dem kleinen Tümpel im Nabel weiter nach unten. Sie streifte seine nasse Badehose ab und drehte sich zu ihm. Als er ihre weichen Rundungen auf sich fühlte, die harten Spitzen, zog er ihren Kopf zu seinem herunter. Die Münder aufeinandergepresst, Arme und Beine verschlungen, rollten sie sich im Sand, bis sie nach drei Drehungen auf dem Rücken lag. Dann leckte er so langsam, als wollte er die Zeit anhalten, das Salz von ihrem Hals. Wanderte mit der Zunge durch Dünen bis zu einer buschigen Oase. Wieder nach oben zu ihren Lippen.
Die Sandkörner klebten auf der Haut, als sie miteinander verschmolzen, aber keiner von beiden spürte den Schmerz.
Irgendwann öffnete er die Augen und sah, wie ihre Lider zitterten. Ein winzige Ewigkeit lang.
»Du denkst immer nur an das eine«, sagte sie, als die Zeit zurückgekehrt war und ihr Atem wieder ruhig ging.
»Mhm?«, machte er träge und schaute einem Schmetterling hinterher, der von einer Hibiskusblüte abhob.
Sie räkelte sich im Sand und lachte. »An deine Geschichte.«
Ehe er protestieren konnte, fuhr sie fort: »Ich merke, dass du schon wieder woanders bist.«
»Ja, verflucht noch mal, ich kriege das nicht aus dem Kopf. Der Dreck im Flur, diese Schuhe, das muss dich doch auch ins Grübeln bringen. Hast du gar keine Idee dazu?«
Sie schwieg eine Weile. Zuckte mit den Schultern. Konnte sie ihm nicht weiterhelfen? Oder wollte sie nicht mehr preisgeben?
Schließlich stand sie auf und spülte sich den Sand vom Körper. Bevor sie wieder in den Tunnel tauchten, sagte sie: »Heute Morgen ist eine Mail von Youssef gekommen. Wenn du die liest, verstehst du vielleicht mehr.«
41
St. Georg, Hamburg
»salam ricarda, diese worte sind für dich bestimmt und nur für dich …«
Mondrian las die Zeilen jetzt schon zum dritten Mal. Er saß in einem türkischen Kaffeehaus in Hamburg-St. Georg, vor sich die E-Mail, die Ricarda von Youssef bekommen hatte, und nippte an einem Mokka. Dem vierten.
»… du wunderst dich sicher über diese nachricht. wenn du sie liest bin ich vielleicht nicht mehr in deutschland. es gibt bestimmte gründe dass ich dein land verlassen muss. die polizei hat mich bei der razzia mitgenommen. sie haben mich geschlagen und in eine zelle geworfen. aber seit einer stunde bin ich wieder frei. du fragst warum …«
Ja, Youssef, rätselte Mondrian wieder, was ist da gelaufen? Weshalb bist du als Einziger der Verhafteten auf freiem Fuß?
»… ich möchte es dir sagen, auch wenn es mir schwerfällt. aber ich musste einen zettel unterschreiben. dass ich nie darüber rede. sie haben mir gesagt dass ich sonst viele jahre ins gefängnis muss …«
Was war das für ein »Zettel«? Und wer waren »sie«?
»… dabei war ich dir so dankbar als du mich von der strasse zu euch geholt hast. ihr wart für mich wie eine familie. und ich habe die pflanzen im paradies geliebt wie meine kinder. ich hätte ewig dort bleiben können. aber dann habe ich dinge getan für die ich mich immer schämen werde …«
Welche Dinge? Wofür musst du dich schämen?
»… in den nächsten tagen werde ich zurück nach marokko geflogen. ich werde jeden tag in die moschee gehen und Allah meine sünden beichten. ich werde Ihn jeden tag um verzeihung bitten. vergebt auch ihr mir, euer bruder youssef.«
»Welche Moschee könnte er meinen?«, hatte Mondrian gefragt, nachdem Ricarda ihm im »Shangri-la« die Mail ausgedruckt und gegeben hatte.
»Er hat immer von St. Georg gesprochen, wenn er am Freitagnachmittag zum Beten ging. Ich glaube, dort hatte er auch ein paar Bekannte.«
Und jetzt saß Mondrian hier im Hamburger Bahnhofsviertel, nach einem kurzen Abschied und einem langen Flug, und hielt sich mit einer Überdosis Mokka wach, während draußen auf dem Steindamm ein buntes Völkergemisch aus Afghanen, Türken und Schwarzafrikanern vorbeizog, und hoffte darauf, dass Youssef noch nicht weg war. Dass er auch an diesem Freitag zum Gottesdienst gehen würde. Ungeduldig schaute er auf die Uhr.
Noch fünfundzwanzig Minuten bis zum Abendgebet.
Er stand auf, schlenderte die Straße
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