Gruene Armee Fraktion
entlang, durch Kebabdüfte und Pulks von dunkelhäutigen Gestrandeten, die vor Billighotels herumstanden, bog an Erotikshops und Spielhallen vorbei in die Böckmannstraße ein. Schon von Weitem sah er das grün-weiße Minarett an einem Haus, dessen Fassade mit einer prunkvollen Moschee bemalt war. Im Inneren, das wusste er von einem früheren Besuch, war das Gotteshaus schlichter. Auf mehreren Etagen gab es Gebetsräume, die mit grünblauen Kacheln und Koransuren verziert waren, darunter den großen Andachtsraum für Männer im ersten Stock, der mehrere hundert Gläubige fasste. Mondrian ging zu einem Geschäftshaus gegenüber und drückte sich durch ein offen stehendes Tor in den Hof.
Aus wenigen Metern Entfernung konnte er von dort aus den Eingang der Moschee im Auge behalten, zu der nun immer mehr Menschen strömten. Ganze Familien mit Frauen mit Kopftüchern und herausgeputzten Kindern drängten in das Gebäude, auf der Straße fuhren voluminöse Autos mit Geschäftsleuten im Anzug vor. Mondrian beobachtete die Ankömmlinge, suchte in der Menge nach Youssefs Gesicht, glich die Züge der Bärtigen mit dem Bild ab, das er in seiner Erinnerung gespeichert hatte, Minute um Minute. Vergeblich. Er konnte den Mann aus Ricardas Wohnung nicht entdecken. Ob er schon nicht mehr in Deutschland war? Oder heute in eine andere Moschee ging?
Unruhig verfolgte er, wie ein paar Nachzügler ankamen; durch die offen stehenden Fenster im Obergeschoss konnte er hören, dass der Prediger mit seinen Rezitationen begann. Als Nicht-Muslim durfte er den Gebetsraum nicht betreten. Deshalb beschloss er, das Ende des Gottesdiensts abzuwarten. Eine zweite Chance. Aber auch als die Besucher wieder auf die Straße strömten, war Youssef nicht dabei.
Mit einem leisen Fluch betrat er das Gebäude und stieg an einem Friseurladen vorbei das gekachelte Treppenhaus hoch. Die Andachtshalle war bereits leer, nur ein alter Mann mit geschlossenen Augen kauerte noch auf dem rot-grünen Teppich. Enttäuscht kehrte Mondrian um, wollte wenigstens noch einen süßen Tee in dem Halal-Restaurant im Erdgeschoss nehmen. Und dort, zwischen bärtigen Männern mit Kaftanen und Jeans und Turnschuhen, sah er eine Gestalt an einem Tisch, die ihm bekannt vorkam. Erst den Rücken, dann das Profil. Dann schaute Youssef mit aufgerissenen Augen zu ihm hoch.
»Schöne Grüße von Gypsy«, sagte Mondrian, »sie hat deine Botschaft bekommen. Sie sagt, wir sollten mal reden.«
Youssef schob seinen Suppenteller zur Seite und wollte aufstehen. Mondrian legte eine Hand auf seine Schulter.
»Ganz ruhig, ich tu dir nichts. Und es braucht auch niemand zu wissen, dass du diesen Zettel unterschrieben hast. Und dass du nicht die Klappe gehalten, sondern Ricarda davon berichtet hast.«
Mondrian schaute sich zwischen den Gästen um, die Tabletts mit dampfenden Köfte durch das Lokal balancierten, und sagte dann: »Hier ist nicht der richtige Platz für das, was wir zu besprechen haben. Such dir einen Ort aus, wo wir in Ruhe ein paar Dinge klären können.«
Youssef schien mit sich zu kämpfen. Lange sagte er nichts.
Dann hörte Mondrian ein leises »Komm mit«.
Youssef erhob sich, trat auf die Straße und ging wortlos voran zu einem verfallenden Haus, das nur wenige hundert Meter entfernt lag. Dort klingelte er an einer Wohnung, die offenbar einem anderen Marokkaner gehörte. Sie begrüßten sich in ihrer Sprache, und nachdem sie die Schuhe abgelegt hatten, führte der Mann Youssef und Mondrian in ein abgewohntes Zimmer.
Eine verschleierte Frau, nur die müden Augen unbedeckt, brachte ihnen Tee mit frischen Minzblättern und entfernte sich geräuschlos wieder. Dann waren sie allein.
Sie tranken schweigend, und eine Weile war nur das Piepsen eines Vogels in einem Käfig unter der Decke zu hören. Irgendwann lastete die Stille so auf Youssef, dass er sich räusperte.
»Also … was soll ich erzählen … wo soll ich anfangen …«, begann er stockend.
»Du bist nach Deutschland gekommen, um zu studieren, oder?«, ermunterte ihn Mondrian. »Aber du hast keine Aufenthaltserlaubnis erhalten.«
»… und vor zwei Monaten oder so bin ich in der S-Bahn kontrolliert worden, in Hamburg. Ich bin schwarzgefahren. Ich hatte kein Geld.«
»Und keine gültigen Papiere«, ergänzte Mondrian.
»Ja. Deshalb brachten mich die Männer zur Polizei. Dort musste ich warten, zwei Stunden, drei Stunden, allein in einer Zelle. Dann kam ein neuer Mann. Er sagte, du sollst gleich abgeschoben
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