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Gruene Armee Fraktion

Gruene Armee Fraktion

Titel: Gruene Armee Fraktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Metzner
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werden. Aber ich kann dir helfen. Du kannst sogar studieren. Aber du musst etwas für mich tun.«
    »War der Mann ein Polizist?«
    »Das hat er nicht gesagt. Er hatte keine Uniform. Er sagte nur, dass er Hans Müller heißt und von der Behörde kommt.«
    »Von welcher Behörde? Dem Ausländeramt?«
    »Das habe ich ihn auch gefragt, weil er so viel über mich wusste. Aber er hat nur den Kopf geschüttelt und gesagt, dass niemand was von unserem Gespräch wissen darf. Und dass niemand etwas davon erfahren darf, wenn wir zusammenarbeiten.«
    »Warum? Hat er einen Grund genannt?«
    »Das könnte gefährlich für mich sein, hat er gesagt. Die Leute, bei denen ich wohne, würden das bestimmt nicht gut finden.«
    »Warst du damals schon bei Ricarda untergekommen?«
    Youssef nickte. »Sie hatte mich in dem Lokal gesehen, wo ich Geschirr gespült habe, und in ihre WG mitgenommen. Über die Leute dort sollte ich dem Mann Informationen geben.«
    »Und wie sollte das funktionieren?«
    »Ich musste ihm versprechen, dass ich jede Woche zu einer Wohnung in Altona komme. Dort musste ich ihm dann alles erzählen. Über die WG, was die diskutieren, welche Aktionen die planen. Er hat gefragt, wer oft in der Roten Flora ist, wer was gegen Atom macht, gegen Castor-Transporte, gegen die Bundeswehr. Er wollte sogar wissen, wer Drogen nimmt und wer mit wem schläft …«
    Youssef schaute verlegen nach unten und begann zu schwitzen. Mit belegter Stimme sagte er zögernd: »Ich dachte, ich habe keine Wahl.«
    »Hat er dir Geld gegeben?«, fragte Mondrian, als er nicht weitersprach.
    »Ja, etwas«, antwortete Youssef, nachdem er tief Luft geholt hatte. »Ich hab Gypsy und den anderen erzählt, dass ich einen neuen Job in einem anderen Lokal habe. Ein bisschen deale. Damit sie nicht misstrauisch werden. Dabei stimmte das gar nicht. Ich hab mich bloß um den Garten auf dem Dachboden gekümmert.«
    »Wusste der Mann von den Marihuana-Pflanzen?«
    »Ja, es war sogar seine Idee, ein bisschen Gras anzubauen. Ich hab dann Speedy gefragt, ob er mir kleine Pflanzen besorgen kann.«
    »Seine Idee? Hat er auch was von der Ernte haben wollen?«
    Zum ersten Mal huschte ein Lächeln über Youssefs Gesicht. Er schüttelte den Kopf und nahm von dem Gebäck, das die Frau hereingebracht hatte. Der Zuckerguss blieb zwischen seinen Zähnen kleben. Er nahm einen Schluck Minztee und wischte sich dann die Schweißtropfen von der Stirn.
    »Gleich zu Anfang hat der Mann gesagt, ich soll ihn Hans nennen. Nach einer Weile habe ich ihn gefragt, wann ich die Papiere für das Studium bekomme. Hans hat gesagt, dass er noch nicht zufrieden mit mir ist. Dass ich noch mehr tun müsste. Und er hat mir drei Geräte mitgebracht.«
    »Was für Geräte?«, fragte Mondrian. »Wie sahen die aus?«
    »Winzig. So klein.« Youssef zeigte die Größe eines Daumennagels. »Die sollte ich in den Zimmern anbringen. Irgendwo in einer Ecke. Oder in einer Lampe. Jedenfalls ein bisschen versteckt. Und er hat mir erklärt, ich solle keine Angst haben, dass mir was passiert, sie können damit alles hören und sehen.«
    »Also Wanzen? Minispione?«.
    Youssef nickte. »Ja, wahrscheinlich, ich weiß nicht, wie so was heißt. Und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich bin zu einem Imam gegangen und habe ihn gefragt. Er hat geantwortet, die Muslime in Deutschland müssen mit den Behörden zusammenarbeiten. Also hab ich die Geräte in der Wohnung angebracht. In dem großen Zimmer an einer Lampe. Und da, wo du am ersten Abend gesessen hast, oben am Regal. Und auch bei Gypsy, das wollte Hans extra so haben.«
    Na prima, dachte Mondrian. Dann waren die intimen Bilder aus der Nacht mit Ricarda wahrscheinlich so entstanden. Jetzt bekam auch er eine feuchte Stirn.
    »Und dann?«, fragte er.
    Youssef sagte nichts.
    »Das war doch nicht alles. Was ist danach passiert?«, bohrte Mondrian weiter.
    Youssef vergrub sein Gesicht in den Händen und begann zu schluchzen.
    Mondrian fuhr sich über die Schläfen. Sein Kopf fing an zu schmerzen. Er spürte genau, dass noch mehr passiert war. Etwas, über das Youssef nicht reden mochte. Nicht reden konnte, weil er die Scham nicht ertrug.
    »Was war da noch, Youssef?«, fragte er leise.
    Nur noch ein Wimmern.
    Mondrian wusste, es war aussichtslos. Er würde den Marokkaner nicht wieder zum Sprechen bringen. Er beobachtete, wie eine fette Fliege um die nackte Glühbirne schwirrte. Manchmal prallte sie dagegen und versengte sich die Flügel. Schließlich stürzte sie

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